Erlangen: Warum eine junge Frau Zimmerin wird

2.9.2018, 16:00 Uhr
Erlangen: Warum eine junge Frau Zimmerin wird

© Ilona Hörath

Skeptiker gab es reichlich. Meinst Du, Du schaffst das?, fragten die einen. Andere meinten: Schau mal, Du hast doch ein gutes Abitur. "Ich habe viele Zweifel gehört", sagt Claudia Karrlein. Doch egal, was Freunde und Verwandte sagten: Die gebürtige Schweinfurterin ging ihren Weg – und machte schon als 16-Jährige ein Praktikum in einem Zimmereibetrieb. "Bei super Wetter haben wir einen Dachstuhl aufgerichtet. Das waren Top-Bedingungen." Einer der Ausbilder fragte allerdings vorsorglich, ob sie sich denn überhaupt aufs Dach trauen würde. "Er wollte sicher gehen, dass ich keine Angst habe." Dann aber musste sie eine ganz andere Hürde überspringen – einen Betrieb zu finden, der sie zur Zimmerin ausbildet. "Viele wollen keine Mädchen", sagt sie. Weil sie nach deren Ansicht wohl nicht auf eine Baustelle gehörten.

Karrlein war frustriert und begann ein Studium. Mathematik, ein Semester lang. Wer ihr zuhört, gewinnt den Eindruck, sie habe nur deshalb studiert, um noch einmal sicher zu gehen, dass sie tatsächlich Zimmerin werden möchte. "Wenn man studiert, landet man oft im Büro", sagt Karrlein und entschied sich für ein zweites Praktikum, zwei Wochen lang. Genau dort, bei Holzbau Andreas Meyer in Erlangen-Steudach, lernt sie den Beruf der Zimmerin. "Den Dachstuhl abbinden und aufrichten, das ist typisches traditionelles Handwerk", freut sich die 20-Jährige. Abbinden, also aus langen Balken und nach vorgegebenem Plan Dachsparren herausschneiden: "Das machen wir alles noch per Hand". Eben nicht mit Hilfe computergesteuerte CNC-Fräsmaschinen, dabei ginge für sie "ein bisschen das Handwerk verloren." Und wenn es sehr schwere Lasten zu tragen gibt, läuft Karrlein eben öfter – oder bittet die Kollegen, ihr zu helfen: "Sie sind sehr verständnisvoll." Carports aufstellen, Dächer eindecken, Trennwände im Holzrahmenbau einziehen, Sturmschäden an Holzbalkonen reparieren: "Es ist sehr vielseitig, man macht nicht jeden Tag dasselbe", sagt Claudia Karrlein. "Neue Gauben werden in unserer Werkhalle vorgefertigt und dann auf die Baustelle gebracht." Auch die Dachdämmung übernimmt ein Zimmerer. Oder den Treppenbau: "Treppenbau ist megaspannend", sagt die Auszubildende angesichts der vielen gestalterischen Möglichkeiten, die es gibt. Gerade beim Treppenbau sei es "total schön, das Endprodukt in den Händen zu halten."

Pavillons und Balkone

Zu den klassischen Zimmererarbeiten gehören der Bau von Holzhäusern, der Dachgeschossausbau, aber auch die Fertigung und Montage von Terrassen, Pavillons, Balkonen und Sichtschutzwänden oder die Montage von Photovoltaikanlagen und der Einbau von Dachfenstern. Ist die angehende Zimmerin privat unterwegs, guckt sie sich ihre Umgebung genau an, zum Beispiel restaurierte Fachwerkhäuser. "Wenn ich so etwas sehe, weiß ich, wie viel Arbeit drin steckt."

Mit ihrer Berufswahl ist Claudia Karrlein glücklich: "Wenn man es wirklich will, kann man es lernen. Ich bereue es überhaupt nicht." Dass sie im Wortsinn durchzieht, was sie sich vornimmt, zeigt auch ihre andere Leidenschaft: das Rudern.

Bei den Bayerischen Meisterschaften im Rudern im Juli hat sie in ihrer Altersklasse und in unterschiedlichen Bootsklassen gleich dreimal den ersten Platz geholt.

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