Erlangens OB Janik will "mehr Gelassenheit"

10.1.2015, 14:54 Uhr
Erlangens OB Janik will

© Harald Sippel

Die Stadt steht 2015 vor gewaltigen Aufgaben: Nächste Woche wird der Gewinner des städtebaulichen Wettbewerbs für den Campus bekannt gegeben. Für den Frankenhof ist ein Architektenwettbewerb ausgelobt. Außerdem startet die Sanierung des Freibads West. Ganz nebenbei sollen auch noch die Schulen weiter instandgesetzt und die Planungen für die Stadt-UmlandBahn vorangetrieben werden. Ist Erlangen nicht drauf und dran sich zu übernehmen?

Florian Janik: Es ist schön, wenn man das, was man vor der Wahl versprochen hat, nach der Wahl umsetzt. Das ist für mich ein wesentliches Konzept von Demokratie. Die Aufgaben, die Sie angesprochen haben, müssen erledigt werden, sie müssen schon lange erledigt werden: Erlangen hat an vielen Stellen Entwicklungsbedarf — oder anders gesagt: viele Chancen, und die wollen wir nutzen.

Kommen wir noch einmal auf die Frage zurück: Übernimmt sich Erlangen nicht mit den vielen Projekten?

Janik: Finanziell nein, und inhaltlich überhaupt nicht. Wer sich nicht verändert, der fällt zurück. Wir haben an vielen Stellen dringenden Bedarf. Das ist keine Überforderung, sondern ein langsames Aufholen, um die Stadt attraktiv und lebenswert zu halten. Denken Sie an den Frankenhof: Das Gebäude fällt uns zusammen. Denken Sie an die Stadt-Umland-Bahn: So gut waren die Aussichten auf Realisierung noch nie. Die Projekte sind nicht nur entscheidungsreif. Die Früchte fallen schon fast vom Baum.

Kann die Verwaltung die vielen Aufgaben überhaupt bewältigen? Die Arbeitsbelastung gilt schon jetzt als hoch.

Janik: Ich denke, dass wir eine sehr gut arbeitende Verwaltung haben. Ich bin überzeugt, dass sie dies alles hinbekommen wird.

Über die Zukunft des Frankenhofes soll ein Architektenwettbewerb bestimmen. Sie und die Koalition haben sich mit dieser Entscheidung einigen Ärger eingehandelt: Kritiker vermissen genauere Vorgaben der Politik für die Architekten. Würden Sie das Thema „Frankenhof“ heute anders angehen?

Janik: Zunächst mal hätte ich mir gewünscht, dass man das Thema „Frankenhof“ schon vor langer Zeit konsequent angegangen wäre. Wir haben einen großen Zeitdruck, weil wir einen großen Sanierungsstau haben. Dass es im Stadtrat nun einen Konflikt gab über eine Frage, die der Stadtrat vorher noch völlig einhellig beantwortet hatte — nämlich, dass wir in einen offenen Wettbewerb gehen — hat vielleicht auch mit sich verändernden Einschätzungen zu tun. Ich meine, wir gehen den richtigen Weg: Zum einen steht das Gebäude unter Denkmalschutz, zum zweiten, wollen wir Fördermittel generieren. Deshalb machen wir einen Architektenwettbewerb: Damit wir den Denkmalschutz genauso wie den Fördergeber überzeugen können.

In Ihrer Wahlkampagne haben Sie mehr bezahlbaren Wohnraum in Erlangen versprochen. Sie wollen Ihr Ziel vor allem mit Nachverdichtung erreichen. Nachverdichtung bringt aber — wie die Reaktionen der Bewohner in der Schenkstraße gezeigt haben — auch Probleme mit sich. Wie wollen Sie den Zielkonflikt lösen - mehr Wohnungen zu schaffen, ohne die Situation in den Wohnvierteln, in denen verdichtet wird, zu verschärfen?

Janik: Das Verfahren, das wir gewählt haben, war am Beispiel Brüxer Straße schon sehr erfolgreich. Wir haben im Vorfeld klargemacht, was überhaupt denkbar ist. Dann haben wir bei den Gesprächen, mit welchem Entwurf wir in die Realisierungsphase gehen, nicht nur Stadträte miteinbezogen, sondern auch Akteure aus dem Stadtteil und zusätzliche Experten. Bei der Housing Area, die großes Potenzial hat, neuen Wohnraum zu schaffen, werden wir das genauso machen. Wir werden schauen: Was wird in dem Stadtteil noch benötigt, welche Probleme gibt es in dem Stadtteil. Wir wollen neuen Wohnraum, aber wir wollen das Viertel nicht zubetonieren, sondern die Lebensqualität verbessern. Es geht darum, die Verdichtung zu nutzen, um Probleme in den Vierteln zu lösen. In der Housing Area haben wir mit den Mitteln „Soziale Stadt“ gute Chancen, das zu erreichen.

Noch mal zur Frage: Wie wollen Sie Konflikten wie die Sorge um den Erhalt des Spielplatzes vorbauen?

Janik: An der Stelle ist noch nichts entschieden. Die Bewohner haben sich zusammengefunden und haben gesagt, das und das ist uns wichtig. Die Bewohner werden an der Planung mitwirken, sie haben uns ihre Mitarbeit zugesagt. Das ist doch ein ein guter Prozess. Wobei klar ist: Man kann alles besser machen. Aber es ist bisher noch nichts festgelegt, es ist nichts in Stein gemeiselt.

Angenommen, es kommt im Landkreis zu einem Bürgerentscheid, bei dem sich die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler gegen eine StUB ausspricht, ist dann das Thema Stadt-Umland-Bahn endgültig gestorben?

Janik: Mit dem Szenario „Was wäre wenn?“ beschäftigen wir uns dann, wenn es auch eingetreten ist. Wenn es zu einem Entscheid kommt, dann werden sicherlich die guten Argumente für die Stadt-Umland-Bahn die Bevölkerung im Landkreis überzeugen. Ich möchte aber auch sagen: Es ist absolut legitim, einen Bürgerentscheid anzustreben in einer Demokratie. Es gibt dann eine Entscheidung, die wir akzeptieren.

Sie favorisieren ein Radschienensystem. Etliche Kritiker haben sich für alternative Systeme ausgesprochen. Können Sie die noch überzeugen?

Janik: Es gibt für mich zwei ganz wesentliche Argumente für die Verlängerung des Nürnberger Straßenbahnnetzes. Aus der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln wissen wir: Das Schlimmste ist, wenn man das Verkehrsmittel wechseln muss. Die Stadt Nürnberg hat dieses Straßenbahnnetz. Es wäre anachronistisch, ein neues Modell aufzusetzen, das Schnittstellen erzeugt. Das zweite Argument ist: Die Förderkulisse, über die wir reden, gilt für eine Straßenbahn. Es gibt kein Förderprogramm für irgendwelche andere Varianten. Ich sehe nur die Stadt-Umland-Bahn als realistisches Projekt.

Ihre Koalitionspartner, allen voran der FDP-Chef Lars Kittel, aber auch der Fraktionschef der GL, Wolfgang Winkler, loben Sie und Ihre Arbeit. Die rot-grün-gelbe Ampel scheint gut zu funktionieren: Beim Konfliktpunkt Eltersdorfer Ortsumgehung hat der Konfliktaustrag offensichtlich gut geklappt. Die Ortsumgehung wird realisiert, die Grüne Liste bleibt in der Koalition, obwohl sie sich gegen die Ortsumgehung ausgesprochen hat. Gelingt der Konfliktausgleich auch beim Bau der Sport- und Handball-Halle, wenn sich kein Großsponsor findet und die Stadt die Halle mit zehn Millionen Euro subventionieren muss?

Janik: Ich bin kein Hellseher. Ich kann nur bestätigen, was die Kollegen sagen: Die Zusammenarbeit ist sehr gut, weil wir bei zentralen Themen der Stadtentwicklung die gleichen Auffassungen haben. Klar gibt es immer Konflikte in Koalitionen, es gibt ja schon innerhalb von Parteien Konflikte. Und wenn drei Parteien zusammenarbeiten, gibt es natürlich auch Konflikte. Nur: Das ist gar nicht schlimm. Demokratie wäre langweilig, wenn alle die gleiche Meinung hätten. Konkret zum Bewegungs- und Gesundheitszentrum: Da werden wir mit unseren Partnern, die sich finanziell beteiligen wollten, Verhandlungen führen. Dann werden wir das Ergebnis im Stadtrat vorstellen und sagen: Dieser Betrag bleibt am Ende an Kosten an der Stadt hängen. Dann wird der Stadtrat sagen müssen: Da gehe ich mit oder nicht. Aber heute Kaffeesatzleserei zu betreiben, hilft nicht. Jetzt legen wir die Fakten auf den Tisch und diskutieren dann in Ruhe: Und ich bin mir sicher, wir werden auch bei diesem Thema sachlich miteinander umgehen.

Gibt es eine finanzielle Schmerzgrenze? Wie hoch ist der Betrag, den die Stadt drauflegen würde, um die Halle zu realisieren?

Janik: Sie wissen, was heute im Haushalt steht.

Acht Millionen Euro also?

Janik: Diese Zahl steht aktuell im Haushalt. Jetzt werden wir sehen, wie hoch ist die Kostenbeteiligung tatsächlich ausfällt, und dann entscheidet der Stadtrat.

Trotz Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer im vergangenen Jahr, hinkt die Stadt ihren Möglichkeiten in diesem Bereich nach wie vor hinterher. Gibt es Pläne, noch in diesem Jahr entsprechende Flächen zur Verfügung zu stellen, damit sich Gewerbebetriebe ansiedeln können und bestehende nicht abwandern müssen?

Janik: Erstens zur Position der Koalition: Wir sind uns einig, dass wir den Firmen, die hier angesiedelt sind, Wachstumspotenzial bieten müssen. Es geht aber nicht darum, irgendjemand von außen hier anzusiedeln. Das Ziel ist nicht unendliches Wachstum. Da stoßen wir an die Grenzen unserer Stadt. Das bestehende Gewerbegebiet Tennenlohe werden wir verdichten, da werden wir Potenziale nutzen. Am Geisberg läuft derzeit das Umlegungsverfahren. Außerdem ist die Diskussion zu führen, ob im Zuge des Baus der Umgehungsstraße in Eltersdorf das im Flächennutzungsplan vorgesehene Gewerbegebiet realisiert werden kann.

Die Verwaltung des Theater ist im Altstadtmarkt untergebracht. Soll der Altstadtmarkt auch zukünftig die Heimat der Theaterverwaltung bleiben?

Janik: Die Planungen sind sehr klar. Wir werden noch in dieser Wahlperiode entscheiden, welche der drei großen Kulturprojekte wir angehen, die wir nach dem Frankenhof zu realisieren haben: also das Egloffsteinsche Palais, das Langhaus des Theaters oder das Stadtmuseum mit Pinolihaus. Das ist offen. Das ist ein Frage des inhaltlichen Konzepts, des bauliche Zustandes und der Kosten. Ich freue mich zudem auf die Diskussion mit der Stadtgesellschaft. In jedem dieser Projekte steckt viel Potenzial.

In etlichen Städten gibt es Pegida-Bewegungen. Rechnen Sie auch mit einem Pegida-Ableger in Erlangen?

Janik: Ich hoffe nicht, dass es dazu kommen wird. Im Moment sehe ich dazu keine Anzeichen.

Etliche Politiker beziehen gegen die rassistischen Inhalte, die auf Pegida-Demonstrationen vertreten werden, deutlich Stellung. Joachim Hermann, bayerischer Minister aus Erlangen, hat mit der Forderung reagiert, kürzere Verfahren und schnellere Abschiebungen durchzuführen. Was halten Sie davon?

Janik: Kürzere Verfahren sind eine alte Forderung des Städtetages. Ich halte die Realisierung dieser Forderung für absolut notwendig. Das ist auch in der Großen Koalition so verabredet, dass man das tun wird. Das ist nichts Neues. Die Menschen, die hier sind und nicht abgeschoben werden, bleiben hier, weil es ganz handfeste Gründe dafür gibt: weil es Krieg in ihrem Land gibt, oder sie aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeschoben werden können. Es wäre auch absolut unmenschlich, das zu tun. Insofern ist die Forderung des Innenministers zwar nett für den Stammtisch, wird aber in der Praxis nicht weiterhelfen. Ich würde mir eher wünschen, dass man ein deutliches Signal setzt, dass wir den Leuten, die aus der Not heraus zu uns kommen, die Hand reichen.

Umfragen haben ergeben, dass fast jeder zweite Deutsche zum Jahreswechsel gute Vorsätze hat. Was haben Sie sich vorgenommen?

Janik: Ich habe mir mehr Gelassenheit vorgenommen. Wenn man neu ins Amt kommt, will man alles und unbedingt und sofort. Geduld war noch nie meine Stärke.

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