Erlanger Parkour-Sportler sind nicht zu bremsen

4.5.2015, 18:00 Uhr
Erlanger Parkour-Sportler sind nicht zu bremsen

© Eva Kettler

Ein Geländer, eine Mauer, Treppenstufen – das brauchen Parkour-Sportler, um ihre Sportart auszuüben. Die Stadt und ihre Architektur sind Grundlage für ihre Aktivitäten — in Erlangen also auch das Bergkirchweih-Gelände.

So mancher Besucher des „Bergs“ achtet bei den Abstiegen sehr genau auf seine Schritte, um heil hinunterzukommen. Die Treppen können zur Herausforderung werden . . . Für Max Heckl und Nicolai Untch sind sie das ebenfalls. Bloß aus anderem Grund. Denn beim Anblick einer Treppe werden bei ihnen ganz andere Wünsche wach. „Für uns ist klar: Der Berg — das schreit danach, dass ich hier trainiere.“

Beim Fototermin am Erichkeller schlägt Nicolai Untch vor: „Ich könnte ja einen Vorwärtssalto die Treppe runter machen. Mal kurz antesten.“ Er nimmt einen kleinen Anlauf, überschlägt sich, landet unterhalb der Stufen mit lautem Knirschen auf den Füßen. „Das geht aber leiser.“ Diese Bemerkung kann sich Max Heckl nicht verkneifen, sein Freund nimmt es ihm nicht übel, sondern nickt zustimmend. „Eine leise Landung ist eine gute Landung“, erklärt er.

Das ist eine der Grundregeln beim Parkour-Sport. „Das Runterspringen von Dingen hat Verletzungspotenzial“, erklärt Max Heckl. Damit meint er aber etwas anderes als der Zuschauer, dem beim Anblick eines Saltos über mehrere Treppenstufen der Schreck in die Glieder fährt und der nicht umhin kann, sich auszumalen, was da passieren kann . . . Nein, Max Heckl meint das ganz anders. „Wir wollen das noch lange machen“, sagt er, „und deshalb achten wir darauf, dass wir unsere Gelenke nicht kaputtmachen. Bei sanften Landungen werden die Sprünge durch die Muskeln abgefangen und nicht durch die Knochen oder Gelenke.“

Zum Parkour-Sport ist Max Heckl durchs Internet und Fernsehen gekommen. „Ich habe das gesehen und bin dann einfach rausgegangen und habe es probiert“, sagt er. Mit Erfolg. Mittlerweile waren die Erlanger Parkour-Leute in der ARD-Vorabendserie „Unter Gaunern“ zu sehen, sind im Programm der Nürnberger Pocket Opera als Artisten aufgetreten.

Vor sechs Jahren hat sich die freie Gruppe „Parkour Erlangen“ gebildet. Die Community trifft sich jeden Samstag im Stadtgebiet, die Verabredungen laufen über Facebook. Max Heckl war von Anfang an mit dabei, heute ist er 23 und arbeitet als Free Runner und Stuntman, gibt Workshops unter anderem an Schulen und Parkour-Unterricht im Sportangebot für alle Studenten der Uni in Erlangen.

Nicolai Untch dagegen macht gerade sein Abitur am Christian-Ernst-Gymnasium und will danach eine Ausbildung zum Physiotherapeuten machen. Wie man den Körper fit halten kann – zum Beispiel mit Dehnübungen —, das interessiert ihn. „Parkour ist für mich wie Meditation“, sagt der 17-Jährige. Wie er das meint, lässt sich bei einem Samstagstreff der Parkour-Leute nachvollziehen.

Diesmal treffen sie sich im „Trial-Garten“, hinter dem Easthouse im Röthelheimpark. Hier liegen Betonelemente, die sich den Sportlern als Hindernisse anbieten. Etwa 30 Leute unterschiedlichen Alters sind gekommen. Nicolai Untch ist einer von drei Trainern. Er macht vor, wie ein Sprung vom Erdboden aus auf einen Betonklotz und darüber hinweg vonstatten gehen sollte. Er läuft auf das Hindernis zu, duckt sich dabei, flacht den Oberkörper ab. „Katze“ nennt er die Bewegungsabfolge. Die Imitation einer Katze vor dem Sprung. Wichtig ist die Konzentration. Der Blick zum Boden, zum Hindernis. Im richtigen Augenblick der Blick nach vorn.

„Parkour-Sport ist so gefährlich wie das eigene Ego“, sagt Max. Wer innerhalb der eigenen Grenzen bleibe und präventives Training für die Gelenke betreibe, sei nicht mehr gefährdet als beispielsweise ein Fußballer. „Ich bin voll begeistert“, sagt die Lehramtsstudentin Lisa Scharf, die seit Oktober dabei ist – und auch dabei bleibt, obwohl sie sich bei einem Rückwärtssaldo einen Bänderriss geholt hat. Aus eigener Unachtsamkeit, wie sie sagt. Sie ist überzeugt, dass Parkour-Sportler für Situationen des täglichen Lebens besser gewappnet seien als andere. Fasziniert war sie von dem Sport erstmals, als sie ein Video davon sah. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es das vor meiner Haustür gibt und dass ich das auch mal mache“, sagt sie.

Sie ist nicht die Einzige, die interessiert an der Sportart ist. „Wir bekommen Anfragen von Müttern, ob ihre achtjährigen Kinder zu uns kommen dürfen“, sagt Max Heckl. Das aber sei nicht möglich, solange es in Erlangen keinen Parkour-Park gebe, wo ein Fallschutz integriert sei. Deshalb erhoffen sich die Parkour-Leute nun, dass die Stadt einen solchen Platz einrichtet, auf dem auch Anfänger trainieren können.

Der könnte dann auch auf der Website (sie soll unter www.betonjungle.com ins Netz) erscheinen, die der Erlanger Thomas Kießling gerade mit Kommilitonen an der Ohm-Hochschule in Nürnberg im Studiengang Technischer Journalismus erstellt. Darauf sollen alle Parkour-Parks und Kontakte in Bayern erfasst werden, damit Interessierte wissen, wohin sie sich wenden können. Die Gruppe „Parkour Erlangen“ ist selbstverständlich auch dabei – aber noch ohne Park.

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