Erlanger Professorin: Staat verleitet zur Steuerhinterziehung

8.3.2014, 11:55 Uhr
Veronika Grimm sieht die Schuld bei Steuerhinterziehung auch beim Staat.

© Matejka Veronika Grimm sieht die Schuld bei Steuerhinterziehung auch beim Staat.

Staaten haben es nach Einschätzung von Experten auch selbst in der Hand, wie steuerehrlich ihre Bürger sind. Staaten, die sorgsam mit dem Steuergeld umgingen, verleiteten ihre Bürger seltener zu Steuerhinterziehung als verschwenderische Staaten, sagte die Erlanger Wirtschftsprofessorin Veronika Grimm der Nachrichtenagentur dpa. Ein Steuerzahler, der sich mit dem Land identifiziere und seine Zahlungen ans Finanzamt für sinnvoll verwendet halte, neige seltener zu Steuertricks. Korruption und Misswirtschaft hingegen seien ein guter Nährboden für Steuerhinterziehung.

Die Volkswirtin koordiniert ein internationales Forschungsprojekt, das sich seit 2012 mit den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und psychologischen Gründen von Steuerhinterziehung auseinandersetzt. Auf einer am Samstag zu Ende gegangenen dreitägigen Konferenz zogen die Wissenschaftler eine Zwischenbilanz.

Unterschiedliche Motive

Die Forscher seien bei ihren Untersuchungen auf viele Motive gestoßen, Steuern zu hinterziehen, berichtete Grimm. So gehöre es in manchen Gesellschaften zum guten Ton, möglichst viel Geld am Fiskus vorbeizuschleusen. "Es kann sich eine Dynamik entwickeln: Wenn Menschen merken, dass auch Bekannte regelmäßig ihre Steuerschuld trickreich herunterrechnen, steigt die Versuchung, Steuern planvoll zu hinterziehen".

Ein große Rolle spiele auch das Thema "Steuergerechtigkeit": "Wer den Eindruck hat, dass Teile der Gesellschaft wenig oder gar keine Steuer zahlen, bei dem ist die Bereitschaft zur Steuerehrlichkeit meist nicht sehr ausgeprägt", erläuterte Grimm. In Gesellschaften, in der Steuerschlupflöcher weitgehend gestopft sind, sei die Bereitschaft zum Steuerzahlen naturgemäß höher.

In Deutschland sehen die Wissenschaftler eine relativ hohe Bereitschaft, zum Gemeinwesen beizutragen. Viele Bürger akzeptierten den Sozialstaat, sagte Grimm. "Ein Problem in Deutschland ist allerdings die Komplexität des Steuersystems" - es veranlasse manche Steuerzahler zu Tricksereien. Ein einfacheres Steuerrecht könnte die Steuerehrlichkeit erhöhen.

Methoden für Steuergerechtigkeit

Eine der wirksamsten Methoden, für Steuergerechtigkeit zu sorgen und Steuerhinterziehung zu verhindern, ist nach Einschätzung der Forscher der direkte Abzug der Steuern vom laufenden Einkommen, wie dies bei Arbeitern und Angestellten in Deutschland bereits der Fall ist. "Damit entsteht gar nicht erst der Eindruck, dass die abgezweigte Steuer eigentlich mein Geld ist". Wer dagegen Steuernachzahlungen zu leisten habe, "unternimmt meist größere Anstrengungen, um diese Zahlungen zu umgehen".

Bei der Besteuerung von Unternehmen gebe es einen Trend zur Zusammenarbeit zwischen Management und Finanzamt. Beide sollten zusammen die steuerlichen Möglichkeiten für das Unternehmen - also quasi eine Steuererklärung - erarbeiten, sagte Grimm. Das Unternehmen könne damit vielleicht steuerlich nicht dass Allerletzte herausholen. "Es kommt aber nicht mehr zu Konflikten mit der Steuerbehörde und zu jahrelangen, aufwendigen Steuerprozessen." In den Niederlanden habe man damit gute Erfahrungen gemacht.

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