Erlanger Friedensaktivist stellt Strafanzeige gegen Dobrindt

28.5.2018, 11:00 Uhr
CSU-Mann Alexander Dobrindt hat mit seinen Äußerungen zur "Anti-Abschiebe-Industrie" viel Kritik ausgelöst.

© Fotos: Patrick Pleul/Rainer Jensen (dpa) CSU-Mann Alexander Dobrindt hat mit seinen Äußerungen zur "Anti-Abschiebe-Industrie" viel Kritik ausgelöst.

Den zunehmenden "Rechtsruck", sagt Werner Lutz, beobachtet er in der CSU schon seit langem mit Sorge. "Die Landtagswahl rückt näher und die Christsozialen wollen Wählerstimmen gewinnen oder zurückholen und dafür überholen sie sogar die AfD noch rechts". So hatte der CSU-Politiker Alexander Dobrindt zum Beispiel bereits zu Jahresbeginn, also genau 50 Jahre nach den 68ern, eine "konservative Revolution" in Deutschland ausgerufen.

Doch das Fass zum Überlaufen brachten für Werner Lutz, den Erlanger Friedensaktivisten und Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), die jüngsten und umstrittenen Äußerungen des CSU-Landesgruppenchefes im Bundestag. Der Christsoziale Dobrinth hatte vor wenigen Wochen eine angebliche "Anti-Abschiebe-Industrie" beklagt, die die "Mittel des Rechtsstaates nutze, um ihn durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen heraus zu bekämpfen".

Trotz einer fraktions- und parteiübergreifenden Welle von Empörung und Kritik legte der CSU-Bundestagsabgeordnete mit den Formulierungen "aggressive Anti-Abschiebe-Industrie" und "Abschiebe-Saboteuren" später sogar noch nach.

Bei diesen Sätzen habe sich seine Hand in der Hosentasche derart verkrampft, dass er sich einfach an den Schreibtisch setzen musste, erläutert Lutz den EN. Entstanden ist ein einseitiges Schreiben an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth.

"Eindeutig tabu"

In dem Brief, der dieser Redaktion vorliegt, stellt Lutz Strafanzeige gegen Dobrindt wegen des Verdachts des Straftatbestandes auf Volksverhetzung und aller anderen in Betracht kommenden Straftaten. Bei der Formulierung der Anzeige hat sich der 63-Jährige Rat bei einem Juristen geholt, die Begründung stammt hingegen von ihm selbst.

Neben dem im Grundgesetz verbrieften Widerspruchsrecht bei Asylentscheidungen, verweist Lutz vor allem auf Wörter und Begrifflichkeiten, die als Folge des historischen Erbes aus der NS-Zeit "eindeutig tabu" seien, weil sie für Völkermord und Menschenverachtung stehen.

Dazu gehörten die historischen bekannten Begriffe "industrielle Vernichtung" und "industrieller Massenmord", die die millionenfache Ermordung von Menschen durch den Holocaust meinen. Mit der Formulierung werde nicht nur die Assoziation zu diesen Begriffen aus der dunkelsten Zeit Deutschlands hergestellt, begründet Lutz seine Strafanzeige. Mit der Formulierung werde darüber hinaus "gleichfalls von Herrn Dobrindt" gegen eine "durch ihre religiöse, rassische und ethnische Herkunft bestimmte Gruppe (Flüchtlinge) gehetzt". Lutz schließt sein Schreiben daher mit dem Satz: "ihre (die der Flüchtlinge, Anm. d. Red.) Menschenwürde wird angegriffen, sie werden verleumdet und beleidigt."

Wie und ob seine Strafanzeige weiter verfolgt wird, mag Werner Lutz nicht vorhersagen. Großen Illusionen gibt er sich aber nicht hin.

"Mir geht es um das Prinzip"

Am Mittwoch hatte Lutz den Umschlag in den Briefkasten des hiesigen Amtsgerichtes in der Mozartstraße geworfen, bis Donnerstagnachmittag war die Post allerdings noch nicht in der zuständigen Abteilung gelandet, wie die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, Antje Gabriels-Gorsolke, auf Anfrage mitteilt. Bis der Brief die entsprechende Dienststelle erreicht, kann es ein paar Tage dauern, erklärt sie. Zur Sache selbst sagt die Justizsprecherin nur so viel: "Herr Dobrindt genießt als Abgeordneter des Bundestages Immunität, das muss man bedenken."

Aber selbst, wenn die Sache für Lutz womöglich rechtlich kein Erfolg wird, hofft er doch, dass der öffentliche Druck gegen den CSU-Politiker dadurch mit zunimmt. "Mir geht es um das Prinzip", erklärt er, "ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen gegen diese Art von Populismus zu Wort melden." Als Autor und Liedermacher, dessen Werkzeug Wörter sind, möchte Lutz zugleich auf eine zunehmende "Verrohung" der Sprache hinweisen.

Weitere Anzeigen gegen Dobrindt

Mit seiner Anzeige gegen CSU-Mann Dobrindt steht der Erlanger übrigens nicht allein da. So erstatteten vor wenigen Tagen auch zwei Göttinger Rechtsanwälte Strafanzeige gegen den CSU-Politiker. In ihrer Sicht verunglimpften dessen Aussagen zur "Anti-Abschiebe-Industrie" das deutsche Rechtssystem und seine Vertreter. Demnach erfüllten die Sätze die Straftatbestände der Verleumdung, der üblen Nachrede und der Beleidigung.

Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) hatte Dobrindts Äußerung aus ähnlichen Gründen kritisiert - so wie nun auch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD). Die Ressortchefin sagte der Bild am Sonntag: "Solche Äußerungen schwächen den Rechtsstaat. Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte fühlen sich verunglimpft." Dobrindts Aussagen hätten sie zutiefst irritiert.

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