Erlanger Student gerät in den Fokus der NSA

3.7.2014, 08:35 Uhr
Der Fall des Erlangers Sebastian Hahn macht erneut deutlich, wie sehr die NSA Internetnutzer ausspioniert.

© dpa Der Fall des Erlangers Sebastian Hahn macht erneut deutlich, wie sehr die NSA Internetnutzer ausspioniert.

Der Albtraum eines jeden Datenschützers heißt XKeyscore. Das Tool des US-Geheimdienstes NSA ist das Herzstück, der Motor der weltweiten Ausspähung von Internetnutzern. Das Programm ist konzipiert Metadaten, Chats, E-Mail-Kontakte einer spezifischen Zielperson auszuwerten. Zumindest ergaben das die Unterlagen, die Edward Snowden verschiedenen Medien zuspielte. Eine flächendeckende Rasterfahndung, der sich kaum jemand entziehen kann. Dem NDR und WDR liegen nun Teile des geheimen Quellcodes von XKeyscore vor. Und die spitzen die NSA-Affäre einmal mehr zu.

Im Fokus steht das Anonymisierungsnetzwerk Tor. Ein weltweites Projekt, dass das Internet sicherer, anonymer, namenloser machen soll. Anfragen werden durch mehrere Server und verschiedene Verschlüsselungsschichten geleitet. So wird die IP-Adresse, eine Art Identität im Netz, des Nutzers verschleiert.  "The onion router", kurz Tor - eben wie bei einer Zwiebel. Weltweit werden dafür Tausende Server betrieben. In den Niederlanden, den USA, auch in Deutschland, oft von Privatleuten. Auch der Erlanger Student Sebastian Hahn engagierte sich im Anonymisierungsnetzwerk - und geriet deshalb ins Visier der NSA.

Erlanger Student im Visier der NSA: "Privatssphäre ist Grundrecht"

Die Ironie: Ausgerechnet Aktivisten, die das Internet anonymer machen wollen sind für die NSA ein lohnendes Ziel. Sebastian Hahn (27), der an der Erlanger Friedrich-Alexander-Universität studiert, betreibt für das Netzwerk einen sogenannten Directory Server. "Er nimmt im Netzwerk eine besondere Rolle ein, hilft bei der Verwaltung tausender anderer Tor-Server", sagt Sebastian Hahn. Nutzer können sich dort die neueste Liste aller Server herunterladen. Ein Knotenpunkt im gesamten Netzwerk.

Gerade in Ländern mit politischem Druck durch ein Regime sind Menschenrechtler auf derartige Verschlüsselungssysteme angewiesen, etwa in Syrien, wo derzeit ein Bürgerkrieg tobt. Aber auch Journalisten und Anwälte nutzen Tor um ihre Informanten und Mandanten zu schützen.

Zugriffe auf den Server von Sebastian Hahn wurden offenbar von der NSA registriert und markiert. Genauso wie die Nutzer, die Verbindung mit dem Netzwerk hatten. Sogar wer sich nur mit Tools wie Tor und Tails beschäftigt und sie im Internet sucht, soll von Geheimdiensten erfasst und in einer Datenbank erfasst werden.

Wie Hahn betreibt auch der Chaos Computer Club einen Directory Server. Weltweit gibt es acht. Auch der Server der Hacker-Organisation taucht in den mittlerweile veröffentlichen Codezeilen auf. Beide Server sind wichtig für das gesamte Netzwerk - und wohl deshalb ins Visier der NSA geraten. Bereits im Oktober enthüllte der britische Guardian, dass die US-Behörde Tor überwacht. Die NSA gab zumindest intern aber zu, bei der Enttarnung einzelner Nutzer sind sonderlich erfolgreich gewesen zu sein.

"Ich bin schockiert darüber, wie einfach Unschuldige in den Fokus der Überwachung geraten können und mit welcher Selbstverständlichkeit die Geheimdienste vorgehen", sagt Sebastian Hahn. "Jeder Deutsche ist täglich von ungerechtfertigten Überwachungsmaßnahmen betroffen, ohne dass es bekannt wird."

Bundesanwaltschaft prüft Hinweise

Juristisch brisant bleibt auch die Frage, ob Hahn und andere Betroffene wie etwa der Chaos Computer Club von deutschem oder amerikanischem Boden aus ausspioniert wurden. Die Bundesanwaltschaft äußerte sich nach NDR-Informationen nur vage: Sie prüfe alle Hinweise.

In der Kommentarspalte des Quelltextes von XKeyscore werden Aktivisten wie Sebastian Hahn gar mit "Extremisten" gleichgesetzt. Ausgerechnet jene, die für Freiheit im Internet kämpfen. "Privatsphäre ist Grundrecht, kein verschrobenes Ziel sogenannter Extremisten", sagt der IT-Student der FAU in Erlangen. Auf Anfragen teilt die NSA lediglich standardisiert mit, man halte sich strikt an das Gesetz, und die "Privatsphäre und Bürgerrechte werden in der Computerüberwachung immer bedacht".

Der Server von Sebastian Hahn selbst wird in einem Rechnerzentrum in Nürnberg betrieben. "Wo genau der Server steht, ist allerdings irrelevant", sagt er. "Benutzer aus der ganzen Welt sind eingeladen, ihn zu benutzen und ihre persönliche Kommunikation sicherer zu machen." Hahn will weiter kämpfen, für ein freies, anonymeres und damit sicheres Internet. "Ich fühle mich bestätigt auf meinem Weg. Nur durch aktives Handeln lässt sich unsere Demokratie langfristig verteidigen."

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