Erlanger und Jenenser feierten den Tag der Einheit

5.10.2015, 12:00 Uhr
Erlanger und Jenenser feierten den Tag der Einheit

© Harald Sippel

Das passte als Kontrast zu den angekündigten Demos der Neonazis in Jena. Deren Kundgebungen hatten Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter davon abgehalten, an der Feier teilzunehmen. Schröter wollte ein Zeichen setzen und den Demokraten in Jena gegen die Nazis den Rücken stärken. Statt seiner war Jenas Alt-Oberbürgermeister Peter Röhlinger mit der Jenaer Delegation gekommen. Röhlinger bestätigte: „Wir müssen wachsam sein, wenn Nazi-Demonstrationen stattfinden.“ Er sei stolz, dass Jena es geschafft habe, als einzige Stadt in Thüringen den Abstand zu den westdeutschen Städten fast auf Null zu verkürzen. „Wir haben das alte Regime verjagt, aber Ihr habt uns aufgebaut“, rief er den Erlangern zu. Er bedankte sich für die langjährige Freundschaft mit Erlangen mit den Worten „Wir kommen mit offenem Herzen“.

Zuvor hatte Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik die Besucher des Festaktes begrüßt. Es sei schön, den 3. Oktober gemeinsam mit denFreunden aus Jena zu feiern. Das habe er tags zuvor mit einer Erlanger Delegation bei einer beeindruckenden Feier in Jena bereits erleben dürfen. Janik zollte Schröter Respekt für sein Handeln. Und betonte: „Wir lassen diesen Tag bewusst von jungen Leuten gestalten.“ Er freue sich besonders, dass auch eine Gruppe von Jugendlichen aus der russischen Partnerstadt Wladimir mit bei der Feier sei.

Den musikalischen Auftakt hatten der Kosbacher Stadlchor und der Singkreis Ziegenhainer Tal mit zwei gemeinsam gesungenen Liedern besorgt. Nach den Begrüßungsreden gelang Jule Weippert und Felix Bernercke ein spannendes Interview mit den Zeitzeugen Heide Mattischek, einst für Erlangens SPD im Bundestag, und Bernd Peter, vordem Lehrer für Deutsch und Englisch in Jena.

Spannende Erlebnisse

Erlanger und Jenenser feierten den Tag der Einheit

© Harald Sippel

Mattischek, in Berlin aufgewachsen, konnte ebenso wie Peter von den Schwierigkeiten berichten, die sich mit dem Mauerbau konkret ergeben hatten, Kontakt mit der Familie im je anderen Teil Deutschlands zu halten. „Ich hatte ein schönes Leben und trotzdem immer im Herzen den Wunsch, dass die Mauer weg muss“, sagte Peter. Lebhaft schilderten die beiden Zeitzeugen ihre Erlebnisse mit der Stasi (Staatssicherheit) und die neuen Möglichkeiten, die sich mit dem Fall der Mauer ergaben. Heide Mattischek freute sich, ungehindert Verwandte besuchen zu können. Bernd Peter konnte erstmals England bereisen, dessen Sprache er schon Jahrzehnte unterrichtete. Und seither habe er wunderbare Austauschbegegnungen mit Erlanger Schulen erlebt, erzählt er und hält die Ausgabe der Erlanger Nachrichten von 1990 hoch, in der über den Besuch der Jenenser am Erlanger Marie-Therese-Gymnasium berichtet wurde.

Schwungvolle Turndarbietungender Mädchen der Wohnsportgemeinschaft Lobeda unter Leitung der Familie Donau folgten. Die Kinder führten Rollen und Handstände vor, schlugen Räder und Flic-Flacs, meisterten auch schwierige Balanceakte auf dem Schwebebalken, immer wieder begeistert beklatscht.

Unbestrittener Höhepunkt aber war das Kinderstück „Der Mensch ist frei“ der Loschgeschule nach Motiven von Friedrich Schiller unter Leitung von Knut-Wulf Gradert. Schiller, der eigentlich Theologie studieren wollte, wird von Herzog Karl Eugen gezwungen, an die herzögliche Karlsschule zu gehen und danach Jura, schließlich Medizin zu studieren.

Am Ende entzieht sich Friedrich nach Dresden und folgt seiner Berufung zum Schriftsteller, beseelt vom Drang nach Freiheit, der sich in seinen Stücken ebenso ausdrückt wie in der „Ode an die Freude“. Viel Applaus und am Ende gemeinsam angestimmt „Freude schöner Götterfunken . . .“ — und die deutsche Nationalhymne.

Keine Kommentare