Erlanger „Volksdiplomatie“ für einen stabilen Frieden

3.7.2015, 17:47 Uhr
Erlanger „Volksdiplomatie“ für einen stabilen Frieden

© Foto: Sippel

Zu der Delegation aus städtischen Fachleuten – neben der Rechts- und Ordnungsreferentin Marlene Wüstner war auch Stadtplanungsreferent Josef Weber in Wladimir – gehörte vor allem Erlangens Alt-Oberbürgermeister und Ehrenbürger Dietmar Hahlweg, der den 80. Geburtstag seines ehemaligen Amtskollegen Viktor Chamov zum Anlass für einen Gegenbesuch nahm: Bei Hahlwegs Feier zum 80. Geburtstag Anfang Januar waren sowohl Chamov als auch seine beiden Nachfolger im Amt anwesend.

Für Hahlweg bekommt heute die 1983 avisierte und 1986 beschlossene Partnerschaft wieder eine ähnlich friedensstiftende Wirkung wie damals, als in Deutschland hunderttausende Menschen gegen eine Raketen-Nachrüstung der Nato auf die Straße gingen und die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung wuchs. Damals hatten etliche sozialdemokratisch regierte Städte – zuerst Saarbrücken unter OB Oskar Lafontaine – beschlossen, die offizielle und mit der Nato-Rüstungspolitik übereinstimmende deutsche Außenpolitik zu „moderieren“ und einen dezidiert freundlichen Tonfall auf der kommunalen Ebene anzustimmen. Hahlweg ist sich sicher: „Der Partnerschaft mit Wladimir bekommt heute unter dem Aspekt der Volksdiplomatie wieder neue Bedeutung zu.“

Was den konservativen Kräften damals missfiel und sogar die Rechtsaufsicht der Städte auf den Plan rief – eine „Gegen-Außenpolitik“ sollte schließlich nicht geduldet werden– , wurde später aber zur Selbstverständlichkeit: Bei den 70-Jahr-Feierlichkeiten zum Kriegsende war auch die Erlanger CSU vertreten, freundschaftliche Beziehungen auf der Bürgerebene werden auch dort geschätzt.

Besonders waren Hahlweg und die städtischen Begleiter aber auch davon beeindruckt, dass das „offizielle“ Wladimir als Ort der Geburtstagsfeier des in der russischen Stadt sehr beliebten Alt-OB Chamov das „Erlangen-Haus“ wählte – die Bildungs- und Hoteleinrichtung, die in Wladmir nur als „Deutsche Botschaft“ in Wladimir bekannt ist. Auch bei dieser Feier habe man bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen im Detail den absoluten Friedenswillen der russischen Partner herausgehört und die Angst davor, dass durch einen Mangel an gegenseitigem Verständnis die Lunte an die friedlichen Beziehungen gelegt werden könnte.

Dass bei allen politischen Problemen auch im täglichen Ringen der Städte um gute Lebensverhältnisse noch genug Probleme zu lösen sind, mussten auch Marlene Wüstner und Josef Weber erfahren. So hat Wladimir mit seinen 350 000 Einwohnern vor allem in den neuen Wohnsiedlungen ähnliche Probleme, wie sie die „Wohnmaschinen“ im Westen vor 30 Jahren hatten: Die Infrastruktur – vom wohnortnahen Kindergarten bis zum ausreichend bemessenen Parkraum – weist große Mängel auf. Und die zunehmende Motorisierung, verbunden mit den täglichen Stau-Problemen, hat auch Wladimir im Griff – so sehr, dass die Stadt ein wenig neidisch nach Erlangen blickt, wo das tägliche Verkehrschaos durch einen hohen Anteil an Radverkehr gemildert wird.

„Auch in Wladimir spielt man mit der Idee, dem Radverkehr mehr Bedeutung zu geben“, hat Erlangens „Radfahr“-Referentin erfahren – und zwar wortwörtlich, als man gemeinsam auf Rädern die Innenstadt abfuhr und sich davon überzeugen konnte, dass in der Stadt am Fluss Klajsma sehr wohl gute Voraussetzungen für eine höhere Rad-Nutzung bestehen.

Angetan waren die beiden Referenten aber auch von Lösungen, die im Westen Anklang finden könnten – beispielsweise versenkte Müllbehälter. Und dass ein Großteil des Wladimirer Busverkehrs mit elektrisch betriebenen Oberleitungsbussen (sogenannten Trolleys) abgewickelt wird, mindert zumindest die Luftbelastung in der Stadt nicht unerheblich.

Da sich Ergebnisse der Zusammenarbeit erst einmal darauf beschränken, beim jeweils anderen Partner interessante Erfahrungen zu machen, soll der Austausch städtischer Fachleute intensiviert werden – historisch bedingte Feier-Anlässe wird es auch weiterhin geben.

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