Es gibt nicht nur „latenten“ Antisemitismus

27.1.2012, 00:00 Uhr
Es gibt nicht nur „latenten“ Antisemitismus

© Bernd Böhner

Die Drohbriefe, die bei der Kultusgemeinde eingingen, waren an Eindeutigkeit nicht zu überbieten. Unter verbotenen Nazi-Symbolen wurde unverhohlen mit der Vernichtung aller Juden gedroht. Obwohl die Briefe aus dem rechten Abseits von der Polizei untersucht wurden, fanden sich auf ihnen keine Fingerabdrücke.

„Manche Eltern erzählen, dass ihre Kinder in den Schulen wegen ihres Glaubens angepöbelt werden“, sagt Ester Klaus. „Die meisten Lehrer stehen diesen Beleidigungen hilflos gegenüber.“ Auch geschehe es manchmal, dass Gemeindemitglieder beschimpft werden: „Die Juden haben Jesus umgebracht.“ Einmal habe sie selbst in einem Gespräch gesagt, sie sei Jüdin. „Daraufhin wurde ich gefragt, ob ich für dieses ,böse Wort‘ einen besseren Ausdruck wüsste“, erzählt Klaus.

Juden in Erlangen werden auch noch 67 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit „Vorurteilen konfrontiert“, sagt Klaus. Diese Diskriminierungen gegen Juden würden vermutlich in den Familien vermittelt. Die Jüdische Kultusgemeinde jedenfalls hat auf die latente Bedrohung reagiert und einen Sicherheitsbeauftragten bestimmt.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat als Antwort auf die Studie die islamische Gemeinschaft aufgefordert, „sich stärker gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen zu stellen“. Allerdings sei der Rechtsextremismus noch eindeutiger, so Dieter Graumann, amtierender Präsident des Zentralrats der Juden. Die rechtsradikalen Parolen würden vor allem im „Internet und in der Hooligan-Szene“ verbreitet.

Zu den Hänseleien auf Schulhöfen meint Graumann, dass es nicht hingenommen werden könne, „Jude“ als Schimpfwort zu verwenden. Hier seien vor allem die Lehrer, aber auch die gesamte Gesellschaft aufgefordert, etwas dagegen zu unternehmen.

Laut der Studie gebe es „inzwischen eine bis weit in die Mitte der Gesellschaft verbreitete Gewöhnung an alltägliche judenfeindliche Tiraden und Praktiken“. Diese Verunglimpfungen seien „auf weit verbreiteten Vorurteilen, tief verwurzelten Klischees oder einfach schlichtem Unwissen über Juden und das Judentum“ begründet. So seien auf deutschen Fußballplätzen „rassistische, rechtsextreme und antisemitische Parolen“ an der Tagesordnung.

Über 31 Jahre ist es jetzt her, dass Shlomo Lewin und Frida Poeschke ermordet wurden. Der ehemalige Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg und seine Lebensgefährtin waren am 19. Dezember 1980 in ihrem Haus in der Ebrardstraße in Erlangen von Rechtsradikalen erschossen worden. Am Bürgermeistersteg erinnert die „Lewin-Poeschke-Anlage“ an den Mordanschlag. Ruth Meißner stellt heute am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus im Fridericianum ihre Seminararbeit über die „Jüdische Kultusgemeinde Erlangen“ vor.

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