Filigrane Augenblicke

26.5.2015, 18:26 Uhr
Filigrane Augenblicke

© Scott Johnston

Auf jenes außergewöhnliche Motiv ist er durch einen eher unangenehmen Zufall gestoßen. Vor mehreren Jahren lag er nach einer größeren Operation im Nürnberger Nordklinikum und musterte den Tropfer, der über seinem Bett hing. Langsam stieg in ihm der Gedanke hoch: „Wasser könnte ein interessantes Thema zum Fotografieren sein.“

Um einen Zugang für die nötige Technik zu finden, traf er sich zunächst mit Karl E. Deckart vom Eckentaler Fotoclub. Ein Experte aus Norddeutschland, den ihm Deckart empfahl, konnte ihm zusätzliche Tipps geben.

Für Kögler begann die Zeit des Experimentierens. In seinem Haus baute er eine Konstruktion mit einem über drei Meter langen Schlauch, den er an der Treppe entlang ins Untergeschoss führte. Dort war dann Reaktionsschnelligkeit angesagt. Kögler merkte sich einen markanten Punkt wie die Kante einer Leiste. Sauste der Wassertropfen aus dem Schlauch daran vorbei, löste er die Kamera aus.

So gelangen sehr ausdrucksvolle Bilder, allerdings gab es auch viel Ausschuss. In jedem Fall war bei dem heute 72-Jährigen der Ehrgeiz geweckt. „Da geht noch mehr“, sagte er zu sich.

Inzwischen war auch die Computertechnik noch weiter entwickelt. Im ersten Stock seines Hauses ergab sich zudem die Möglichkeit, eine passgenaue Apparatur aufzubauen. Vorausschauend hatte er bei seinem Klinik-Aufenthalt die Schwester gefragt, ob sie zwei Infusionsflaschen entbehren könne.

Um eine Plastikwanne, die zirka zehn Liter Wasser fasst, baute er ein Holzgestell, an dem er unter anderem Tropfer, Lampen, Blitze und Makroventile anbrachte. Dass er einst eine Ausbildung als Fernmeldetechniker absolviert und vor seiner Laufbahn als Bildredakteur bei einer großen Elektronikfirma in Nürnberg gearbeitet hatte, kam Kögler nun wieder zugute.

Aus einem Bausatz fertigte er ein hochmodernes Steuerungsgerät, den so genannten Crazy Trickler. Dieser synchronisiert den Laptop, der mit einer entsprechenden Software arbeitet, mit den Makroventilen, der Kamera und den insgesamt bis zu sechs Blitzen. Die Kurzzeitfotografie ist Voraussetzung für das „Einfrieren“ von ultraschnellen Bewegungsabläufen, wie es beim Fotografieren von Wassertropfen erforderlich ist.

Am Computer kann Kögler verschiedene Zeitabstände, die sich im Bereich von Millisekunden bewegen, variieren. Mit einem Mausklick löst er schließlich eine Sequenz aus, die viel zu schnell ist, als dass sie das menschliche Auge in ihren Einzelheiten wahrnehmen könnte: Ein Ventil, das über einen Schlauch mit der Infusionsflasche verbunden ist, lässt einen Tropfen Richtung Wanne fallen. Exakt mit dem Aufprall lösen einige hundert Millisekunden später die Kamera und die Blitzgeräte aus.

Die Blitze, von denen sich einer unter der Wanne befindet, hat Günter B. Kögler mit farbigen Folien überklebt, wodurch sich eindrucksvolle Lichtreflexe ergeben. Aus schwarzen Strohhalmen bastelte er außerdem einen Wabenfilter, um eine Streuung des Lichts zu verhindern.

Über die einzelnen Parameter, die er austestete, führte der Heroldsberger genau Buch, um die besten Einstellungen herauszufinden. Nun überträgt er diese Daten gleich in die jeweilige Bildinformation, so dass er sie als Basis für Vergleiche stets zur Verfügung hat.

Aus dieser komplexen Technik entstehen Kunstwerke von filigraner Schönheit. Es ist erstaunlich, welch unterschiedliche Formen sich beim Aufschlagen eines Wassertropfen ergeben können.

Einmal erscheint er wie eine Krone mit feinen Minitropfen an den Spitzen. Ein anderes Mal türmt er sich in die Höhe wie ein Pilz mit einem kräftigen Stiel und einem weiten Schirm, der oft nur aus einer dünnen Haut besteht, die seitwärts wegkippen kann und dadurch wie eine Halskrause aussieht.

Ein zweiter Tropfen, der folgt, schwebt manchmal wie ein Mond über dem Schirm oder trifft diesen und erzeugt so neue Strukturen. Die Wasserhaut verzerrt optisch nicht selten die dahinterliegenden Wellen in dem Bassin, was zu einem weiteren besonderen Effekt führt.

Die anschließende Bildbearbeitung reduziert Kögler auf ein Minimum, entfernt lediglich einige störende Spritzer oder hebt teilweise den Kontrast und die Schärfe etwas an.

Die Leidenschaft für das Fotografieren ließ ihn nicht los, seit er als Sechsjähriger seiner Mutter zum Muttertag einen „einfachen Blechkasten“ geschenkt und damit die ersten Bilder geschossen hatte. Bereits neben seinem Beruf als Elektrotechniker arbeitete als freier Pressefotograf.

Nach dem Volontariat war er als Redakteur in Münchberg, Forchheim und über 33 Jahre in Fürth tätig, wobei sich immer mehr die Fotografie als Schwerpunkt herauskristallisierte.

In seiner Freizeit war er unter anderem für Grete Schickedanz, Max Grundig, Paul und Helene Metz als Fotograf im Einsatz.

Jetzt im Ruhestand genießt es Kögler, dass er sich für ein Foto beliebig viel Zeit nehmen kann – auch wenn die Ausführung am Ende nur Millisekunden in Anspruch nimmt.

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