Flüchtlings-Odyssee endete für Delshad Ali in Erlangen

31.8.2016, 12:00 Uhr
Flüchtlings-Odyssee endete für Delshad Ali in Erlangen

© Julia Beeck

Der junge Mann will nicht erkannt werden. Er hat Angst: Nicht um sich, sondern um seine Familie in Syrien. „Wenn die syrische Regierung herausfindet, dass ich in Deutschland Asyl bekommen habe, könnte das negative Auswirkungen für meine Familie bedeuten.“ Seinen Namen verrät er jedoch. „Ich heiße Delshad Ali; das kann jeder wissen. Der Name kommt so häufig vor wie Peter Müller in Deutschland. Den kann niemand zu meiner Familie zurückverfolgen.“

Ali ist Kurde und kommt aus Qamischli, einer Stadt im Nordosten Syriens, direkt an der Grenze zur Türkei. Als er 13 Jahre alt ist, zieht seine Familie in die etwa 700 Kilometer entfernte syrische Hauptstadt Damaskus. „Wir mussten umziehen. Meine Familie lebte wie die meisten in dieser Gegend von der Landwirtschaft. Weil es viele Jahre sehr trocken war, gab es für meine Familie keine Möglichkeit, Geld zu verdienen.“ An das Leben in Syrien erinnert sich Ali nicht gern. „Kurden sind die größte ethnische Minderheit in Syrien.“ Trotzdem seien sie staatenlos gewesen, erzählt er. „Als Kurden bekamen wir keine syrischen Pässe.“

Dies änderte sich 2011 mit dem Beginn des Bürgerkriegs: Diejenigen Kurden innerhalb Syriens, die über keine Staatsbürgerschaft verfügten, sollten die syrische erhalten. „Aber nur um sie dann zum Militärdienst einzuziehen“, erklärt Ali. Für ihn steht fest: Er muss das Land verlassen, sonst muss auch er in den Krieg ziehen.

Im Sommer 2014 machen er und sein Cousin sich auf den Weg nach Europa. Über die Türkei kommen sie über Bulgarien, Serbien und Ungarn schließlich nach Deutschland. Oft legen sie weite Fußmärsche zurück, mal fahren sie mit dem Bus, mal hinten zusammengepfercht in einem LKW. „Im Nachhinein wundere ich mich, dass ich das alles überlebt habe und mir nichts passiert ist.“ Die gesamte Fluchtroute sei mit kriminellen Schleuserbanden durchzogen, die grenzübergreifend zusammenarbeiten. „Die sagen den Flüchtlingen genau, wohin sie gehen sollen, wie sie sich zu verhalten haben und machen dabei jede Menge Geld mit der Not“, sagt Ali.

Ali kann sich noch gut an den Tag erinnern, als er Deutschland erreicht hat. Es war der 24. September 2014. Doch Ali soll nach Ungarn abgeschoben werden. „Das lag daran, dass mein Cousin und ich in Ungarn von der dortigen Polizei aufgegriffen und registriert wurden.“ Das Dublin-Verfahren regelt, dass das EU-Mitgliedsland für das Asylverfahren zuständig ist, dessen Boden ein Flüchtling zuerst betreten hat. Um zu verhindern nach Ungarn geschickt zu werden, flüchtet Ali in eine Kirche in Nürnberg. Dort bleibt er zwei Monate.

Mittlerweile hat der 21-Jährige den Status eines anerkannten Flüchtlings und lebt in einem Asylbewerberheim. „Ich bin so froh, dass ich bleiben kann.“ Er hätte jedoch gerne eine eigene Wohnung. In der Asylunterkunft gebe es viel Konfliktpotenzial.

Derzeit macht Ali mit 16 weiteren Flüchtlingen ein Praktikum bei der Siemens AG in dem Bereich Mechatronik. „Zwei von uns dürfen danach eine Ausbildung machen. Ich hoffe, ich werde einer davon sein.“

Über Langeweile kann er sich nicht beklagen. Während der Zeit seines Kirchenasyls hat er Kontakt zum Gostenhofer Theater bekommen und spielt nun in einem Theaterstück mit.

„Wir proben oft am Wochenende. Das ist eine gute Chance für mich, zusätzlich Deutsch zu lernen. Das Stück wird auch aufgeführt Ich muss aber noch recht viel auswendig lernen.“ Zudem spielt er beim 1. FC Eschenau 1927 e.V. im Sturm.

Was er sich wünscht? „Ganz klar, ich würde gerne die Ausbildung bei Siemens machen und vielleicht studieren. Später würde ich gerne in Deutschland bei der Polizei arbeiten.“

Er überlegt kurz und fügt dann hinzu: „Außerdem wünsche ich mir, dass nicht immer alle Flüchtlinge in einen Topf geworfen werden. Sicherlich gibt es einige, die Ärger machen, aber das ist eindeutig die Minderheit. Die meisten sind einfach froh und dankbar, in Sicherheit zu sein.“

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