Gedenken auch an Erlanger Euthanasie-Opfer

11.7.2016, 15:00 Uhr
Gedenken auch an Erlanger Euthanasie-Opfer

© Harald Sippe

Die Bilder und Texte verstören und verschrecken: Dokumente über medizinische Tbc-Versuche an Kindern und Jugendlichen, Berichte über „Verschlechterungen des Gesundheitszustandes“ und schließlich kurze Briefe mit der Todesnachricht an die Eltern, unterzeichnet mit einem knappen „Heil Hitler“.

„Es ist keine leichte Kost“, sagt der Pfarrer der evangelisch-reformierten Hugenottenkirche, Johannes Mann, bei der Eröffnung der Ausstellung „Im Gedenken der Kinder“ in seinem Gotteshaus. Die Schau zeige ein weiteres Kapitel aus der „Apokalypse der Unmenschlichkeit“ und belege, wie sehr die Universitätsmedizin, allen voran Pädiater und Psychiater, in die NS-Verbrechen verstrickt waren.

Bei der hiesigen Konzeption habe man gerade auch die Rolle der Erlanger Universität berücksichtigen wollen und die Schau daher (wie berichtet) mit dem Direktor der Kinder- und Jugendklinik, Professor Wolfgang Rascher, und dem Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin, Professor Karl-Heinz Leven, ergänzt um Tafeln, die Ereignisse, Opfer und Täter der NS-Kindereuthanasie in Mittelfranken darstellen. Die Informationsstände, die die NS-Vergangenheit der Hugenottenstadt beleuchten, seien wie eine Insel in die Schau eingearbeitet. „Das ist ein notwendiger Schritt für die Konfrontation mit dem Erlanger Teil“. Noch aber fehle als äußeres Zeichen ein Gedenkstein für die Kinder, die durch Erlanger Klinikärzte in die Tötungsanstalt nach Ansbach überwiesen wurden. „Für ein solches Mahnmal“, so Pfarrer Mann, „ist es allerhöchste Zeit“.

Wie ernst die Hochschulleitung die Aufarbeitung nimmt, zeigt die Schirmherrschaft, die der Präsident der Friedrich-Alexander-Universität (FAU), Professor Joachim Hornegger, für die Ausstellung übernommen hat. Da er beim Auftakt terminlich verhindert war und sich dafür schon vor Monaten entschuldigt hatte, erinnert die Professorin Antje Kley, Vizepräsidentin der FAU, an die Beteiligung der Erlanger Kinderklinik an den menschenverachtenden Taten.

„Da diese Verbrechen auch bei uns, hier in Erlangen, in unserer Kinderheilkunde stattgefunden haben“, sagt sie unmissverständlich, „ist diese Ausstellung so wichtig“.

Sie ermögliche es, Geschichte aufzuklären, „die wir am liebsten doch so gar nicht hören wollen.“

Sich der eigenen braunen Rolle zu stellen, sei immer noch schwer, weiß Professor Wolfgang Rascher nur zu gut. Sein Bemühen, Licht in das Dunkel der Mitläufer- und Mittäterschaft des damaligen Direktors der Kinderklinik, Albert Viethen, zu bringen, wurde noch vor wenigen Jahren von Klinikpersonal und Viethens Nachkommen torpediert und hintertrieben. Umso wichtiger ist ihm nun die Ausstellung in der Hugenottenkirche: „Die getöteten Kinder zu vergessen, heißt, sie noch einmal zu töten.“

Die Ausstellung in der Hugenottenkirche (Bahnhofplatz 3) ist bis 22. Juli, Mo. bis Fr. 15 bis 18 Uhr sowie Sa./So. 12 bis 17 Uhr, geöffnet. Am Sa., 16. Juli, sowie am Fr., 22., finden jeweils um 16 Uhr Führungen statt.

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