Gefrorene Mülltonnen tauen im Erlanger Schlossgarten auf

19.9.2018, 11:00 Uhr
Gefrorene Mülltonnen tauen im Erlanger Schlossgarten auf

© Kerstin Schulz

ERLANGEN – Wenn ich in meinen Keller schaue, gibt es ziemlich viele Dinge, die ich als Müll betiteln würde, wie alte Lampen (die niemand mehr benutzt) und haufenweise Kleidung, von der ich mich nicht trennen kann, weil ich sie irgendwann sicher noch einmal anziehe. Aber wenn einen doch einmal der Ehrgeiz packt, kommen meine Klamotten beispielsweise in die Altkleidersammlung.

Daraus ein Kunstprojekt zu machen, daran hätte ich sicher nicht gedacht. Kerstin Schulz, Gründerin des Atelier Dreieck, kam jedoch auf die Idee. Denn für sie ist Müll nicht gleich Müll, sondern "Materie am falschen Ort".

Und obwohl wir Deutsche uns so gerne mit der Fähigkeit des Recyclings rühmen, sieht die Wahrheit meist ganz anders aus, was fatale Folgen für die Umwelt haben kann. Und genau darauf möchte das Projekt aufmerksam machen, das in Zusammenarbeit mit dem Amt für Soziokultur entstanden ist.

Am Aktionstag "Deine Stadt und Du", am Samstag, 22. September, werden die gefrorenen Mülltonnen in Form einer Installation im Schlossgarten ausgestellt. Dabei können die Besucher bei der Installation auch einzelne Gegenstände mit dem Eispickel herausschlagen, erzählt Kerstin Schulz. Die restlichen Dinge, die nicht mitgenommen werden, sollen für weitere Schwarmkunstprojekte aufbewahrt oder einfach entsorgt werden. Neben den Hinweisen auf das Trennen von Müll, sollen die schmelzenden Eistonnen die Erderwärmung repräsentieren, so Schulz.

Doch um die Eistonnen überhaupt einfrieren zu können, braucht es eine Menge freiwilliger Helfer, denn bei dieser Art von Kunst wird die Kreativität von vielen Menschen gebündelt, um die ursprüngliche Idee eventuell sogar weiter zu entwickeln. Viele verschiedene Persönlichkeiten und Gruppen haben bereits an dem Projekt mitgewirkt.

So auch die Auszubildenden der Erlanger Stadtwerke, denen ich mich angeschlossen hatte. Die Stadtwerke wollten, dass ihre Auszubildenden über den Ausbildungs-Tellerrand hinwegschauen, so Petra Engelhardt vom Personalbüro. Und das machen die Auszubildenden mit Begeisterung.

Das wäre "mal ein anderer Weg zu zeigen, was der Klimawandel macht", erzählt Tobias Wozelka. Und auch Laura Leipold sagt, sie wäre "hier um Leuten was zu zeigen". Besonders betroffen scheinen die Auszubildenden über die Verschmutzung der Ozeane durch Plastik zu sein. "Das schlimmste ist das mit dem Ozean", resigniert Daniel Wunderlich. "Das ist schon heavy", stimmt ihm Leipold zu.

Passend zu ihrem Arbeitgeber brachte Leipold alte Schwimmnudeln mit. "Das wird eine Herausforderung", bemerkt Kerstin Schulz. Ein anderer Auszubildender brachte Papier-Becher mit, jedoch durften diese nicht benutzt werden, da das für Schulz streng genommen kein Müll ist. Ebenso erschienen mir die mitgebrachten Eimer auch sehr neuwertig zu sein, aber vielleicht bin ich da auch etwas kleinkariert. Auch ich bekam mein ganz eigenes Thema. Quietscheenten.

Entchen schwimmen lieber oben

Als es dann nach einem Vortrag über Mülltrennung an das Befüllen der Tonnen ging, bemerkte ich schneller als mir lieb war, dass zu dem Projekt etwas mehr gehörte als nur Zeug in eine Tonne zu werfen. Es fing damit an, die Gegenstände mit einem Feuerwehrschlauch zu reinigen.

Dabei unterstützte mich fortwährend Janos Hack vom Amt für Soziokultur. Das Reinigen war der leichte Part. Dann bat Kerstin Schulz uns nämlich, dass wir doch bitte die Luft aus den Entchen lassen sollten, damit sie auch unten schwimmen würden und sich das ganze etwas besser in der Tonne verteilt.

Entchen in dem Wasser, Schwänzchen in die . . . Letztendlich war das einzige, was im Wasser schwamm mein Arm, denn die Luft drückte sich nicht von selbst raus. Und man glaubt es nicht, aber eine Gummiente schwimmt lieber oben als unten. Unter viel Fluchen schafften wir es dann die Luft herauszulassen, als sich schon das nächste Drama anbahnte: wir sollten die Entchen miteinander verknoten. Unter Wasser. Damit die Luft nicht direkt wieder hinein fließt.

Das hat dann tatsächlich noch schlechter funktioniert und zu Wutausbrüchen meinerseits geführt. Und auch Laura war nicht viel besser dran, denn sie musste ihre Schwimmnudeln in kleinere Stücke schneiden und dann an einer Schnur aufhängen. Zum Befüllen der Eistonnen werden im Übrigen zirka 80 Liter Wasser gebraucht.

Nach vier Tagen sind die Tonnen dann aber vollständig gefroren und können aus ihren Formen gelöst werden, weiß Janos Hack. Die fertigen Kunstobjekte werden dann in einem Eiscontainer auf dem Betriebshof aufbewahrt, bis sie auf dem Schlossplatz ausgestellt werden können.

Aber was hat das Ganze eigentlich mit Umweltschutz zu tun? Es ändert nichts daran, dass die Gegenstände nach dem Auftauen genau einen Weg nehmen werden. Den zur Müllabfuhr.

Wo liegt also der tiefere Sinn des Projektes? In den symbolisch schmelzenden Mülltonnen? Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Eisbären so darüber gefreut hätten, dass für dieses Projekt mindestens 4000 Liter Wasser verbraucht wurden? Mir erscheint es etwas scheinheilig zu sein, ein Projekt für Nachhaltigkeit zu machen und dabei so viel Wasser, aber vor allem auch so viel Strom zu verbrauchen. Denn der Container, in dem die Eistonnen sind, steht dort bereits seit zwei Monaten und muss permanent heruntergekühlt werden.

Gut visuell dargestellt

Der Hauptpunkt des Projektes soll aber ein ganz anderer sein und zwar, dass in Erlangen mehr Müll getrennt wird. Und ich muss schon sagen, das wird wirklich gut visuell dargestellt. Es kommen nämlich immer nur die gleichen Dinge in die Tonne.

Zeitungen zu Zeitungen, Kabel zu Kabel und Quietscheenten zu Quietscheenten. Zudem ist es eine nette Art Mülltrennung zu visualisieren, denn hübsch anzusehen sind die Eistonnen schon.

Ob dieses Kunstprojekt letztlich etwas in den Köpfen der Menschen verändert, wird sich mit der Zeit zeigen. Viel mehr kann ich mir aber vorstellen, dass die Stadtreinigung am nächsten Tag das meiste wegkehren muss, oder die Leute das Zeug zu Hause wegschmeißen, da es dann ja auch wieder nur herumliegt. Das hat bestimmt einen Grund gehabt, warum es gespendet wurde.

Also war es Müll, dann Kunst und kommt letztendlich doch wieder weg. Zurück in den Müll. Zurück in den Anfangszustand.

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