Genie und Grübler in Erlangen

16.8.2017, 18:00 Uhr
Genie und Grübler in Erlangen

© Foto: E-Werk

Conor Oberst hätte die Welt retten können. Am Ende hätte er sich selbst fast nicht mehr retten können. Klingt pathetisch? Eher wie eine Geschichte aus einem seiner Songs, ein Stück über Liebe, Selbstzweifel, Jugend und Melancholie.

Es begann damals vor fünfzehn Jahren mit "Lifted Or The Story Is In The Soil, Keep Your Ear To The Ground". Conor Oberst und seine Band "Bright Eyes" waren über Nacht nicht mehr nur diese eine Gruppe um den Songwriter mit der weinerlichen Stimme.

Die Musikpresse fabulierte Artikel auf Artikel über den hageren Jungen, der für eine ganze Generation sprechen sollte. Das Album selbst ein Meisterwerk aus Alternative Country und Folk, geschrieben zwischen Tresen und Wohnzimmer in Omaha, Nebraska. Texte, deren Poesie zur Weltrettung berufen schien. Was folgte: Auftritte mit Bruce Springsteen und Michael Stipe, Gründung der "Monsters Of Folk", Umzug nach New York, Lob für jedes weitere Album und diverse Nebenprojekte. Conor Oberst, ein Getriebener, ein Grübler, ein Genie. Die andere Seite: Conor Oberst, der Trinkende, der Ertrinkende, der Larmoyante. Die Wahrheit lag wohl dazwischen. Und an diesen Zustandsbeschreibungen bestand kein Zweifel. Bis zum Winter vor zwei Jahren.

Oberst fiel in ein Loch, glaubte, nie wieder einen Song schreiben zu können. Drama kann er eben nicht nur in seinen Songs. Oberst war gerade zurückgezogen nach Omaha. Dabei hatte er sich in seine eigenen vier Wände eingeschlossen, um dort in den Nächten an seinem Piano zu sitzen. Am 11. Februar 2016 ließ Oberst das Loch hinter sich – und nahm "Ruminations" auf. Die Kreativität reichte bereits für das nächste Album.

Auf "Salutations" gibt es vor allem die Songs des Vorgängers. Doch lebte "Ruminations" von der kargen Atmosphäre, von Oberst alleine am Piano, zusätzlich nur mit einer Mundharmonika ausgestattet. Jetzt tummeln sich Orgeln, Geigen und Akustikgitarren auf den Stücken. Die introvertierte Stimmung bleibt, Referenz stets das eigene Leben, abgefedert durch ein lyrisches Ich.

Vielleicht singt Oberst in "Gossamer Thin" von sich selbst, vielleicht singt er eine erfundene Geschichte – letztlich ist es egal. Denn Obersts Songs bestehen aus wahren und wunderschönen Zeilen. In "The Rain Follows The Plow" wird aus einer Jugendsünde ein Pfad der Tränen, während sich Oberst an dem katholischen Glauben abarbeitet. Im Hintergrund bauen Streicher und Drums dazu einen langsamen Rhythmus auf.

Das musikalische Wunderkind von einst hadert auf diesem Album weiter mit seiner Rolle und ist unbemerkt längst erwachsen geworden. Der Größenwahn von einst ist verschwunden, das Kaputte und Verschrobene ersetzen längst Töne der Slide-Gitarre. Oberst sieht sich als Sänger im Roggen, glaubt den ganzen Weltschmerz auf seinen Schultern.

Das mag dem einen oder anderen Hörer zu selbstmitleidig sein. Oberst wird es nicht kümmern. Hat es noch nie. Lieber verzweifelt er weiter an sich, Gott und der Welt. Es gibt schließlich sonst wenig anderes zu tun in Omaha.

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