Glitzernde Tonperlen mit Zauberlinien

22.2.2019, 19:32 Uhr

ERLANGEN - Zunächst ist GVE-Geschäftsführer Stephan Gerlinghaus dankbar erleichtert, dass er nach der kurzfristigen Absage von Dirigent Antonello Manacorda den 37-jährigen Joseph Bastian als Ersatz ankündigen kann. Der macht seine Sache gut, obwohl er, ehemals Posaunist des BR-Orchesters, erst vor knapp drei Jahren seinen Einstand als Dirigent feierte: "Ich mache keine halben Sachen", sagt er – und stellt die Posaune endgültig in die Ecke. Nein, die macht der schlanke, charmante Franzose nicht. Bestimmt, gestenreich und voller Elan ist sein Dirigierstil.

Die "Bamberger" kennen Mendelssohns "Hebriden"-Ouvertüre sowieso, die durch den Dirigentenwechsel flugs statt "Melusine" angesetzt wurde, und sie machen das leicht und federnd, in den Stimmgruppen farbig kantabel, die Harmonik reizvoll in den Klängen auslotend.

Danach kommt der jüngste Rubinstein-Wettbewerbsgewinner von 2017: Szymon Nehring, schlank, groß, Wuschelkopf und so jung. Der 23-jährige Pole wirkt freundlich, schüchtern, angespannt. Lächelnd setzt er sich an den Flügel und erobert mit Chopins Zweitem Klavierkonzert das Publikum. Er spielt vom ersten Einsatz an mit Entschlossenheit, Kraft und tiefstem musikalischen Ausdruck. Das begeistert bereits im ersten Satz derartig, dass es spontanen Zwischenapplaus gibt. Das "Larghetto" wird zum Höhepunkt des Abends, der demütigen, freudigen Dank ob solcher Anschlagskultur, ob solcher Zauberlinien evoziert, die – nebenbei bemerkt – die wunderbaren Qualitäten des restaurierten GVE-Steinways offenbart.

Reinste Poesie

Weich und intim ist der Eintritt des Klavierparts: Es sind glitzernde Tonperlen, die in diesem atemberaubend schönen Improvisationsentrée verschwörerisch funkeln. Der ganze Satz ist reinste Poesie.

Nehrings Anschlagskultur ist schon jetzt Weltklasse. Brillant und glasklar geht das im Finale des "Allegro vivace" so weiter: Hier erblüht ein tänzerisches Perpetuum mobile in den koketten Triolisierungen dieser eleganten Mazurka. Die orchestralen Kapriolen des Bogenholzschlagens und der muntere Austausch zwischen Solisten und Orchester sind ein Hörvergnügen. Applaus, Applaus, Bravo-Rufe, Jubel und eine Chopin-Mazurka als folgerichtige Zugabe. Die atmet Schumann’sche Farben.

Schumann bekommt das Publikum nach der Pause, wo Nehring auch als kammermusikalischer Partner keine Wünsche offen lässt: Er ist ein äußerst feinfühliger Gestalter, lauscht dem differenzierten, klangschönen Cellospiel von Ulrich Witteler, Solocellist bei den "Bambergern", das intensiv, konzentriert in den "Fantasiestücken" von Robert Schumann nachgeht.

Euphorisch beschwören die "Bamberger" zum Abschluss in Robert Schumanns Erster Symphonie den Frühling herauf. Es ist ein vehementer Aufruf des Gedichtzitats "O wende, wende deinen Lauf" im ersten Satz. Poetischere Töne mit dramatisierendem Einschlag beinhaltet das "Larghetto" in seiner Entwicklung. Das "Scherzo" ist geprägt von robusten "Gespielen" mit resoluter Freude an den rhythmisch-thematischen Drehern der Komposition. Das Finale strotzt – wie der Anfangssatz – mit strahlenden Blechbläsern mit rauschhafter (Klang-)Pracht. Es ist quasi ein "Frühlingsrauschen", bei dem die "Bamberger" ihr blühendes Orchesterklangfüllhorn euphorisch ausschütten. Diese Frühlingspracht hält den euphorisierten Pegel des Publikums nach polnischen Flügel-Flügen.

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