Grippe führt zu Hochbetrieb in Erlanger Notaufnahmen

15.3.2018, 06:00 Uhr
Die Mediziner in Erlangen sind am Limit: Die Grippe-Saison in diesem Jahr dauert voraussichtlich länger als üblich und greift mit verschiedenen Viren an.

Die Mediziner in Erlangen sind am Limit: Die Grippe-Saison in diesem Jahr dauert voraussichtlich länger als üblich und greift mit verschiedenen Viren an.

Die Zahlen sprechen für sich: Seit Beginn der Grippe-Saison Anfang Dezember 2017 (KW 49) wurden in der Internistischen Notaufnahme im Erlanger Universitätsklinikum bis einschließlich Montag 389 Fälle von Influenza neu diagnostiziert. Das sind fast 100 mehr als im Vorjahreszeitraum, sagt der Ärztliche Leiter der Internistischen Notaufnahme, Rüdiger Görtz. Die Quantität ist das eine, was in diesem (Grippe)Jahr auffällt, die Qualität das andere. Während zu Beginn der Welle Patienten überwiegend am Typ B (bisher insgesamt: 284) erkrankt waren, nimmt seit ein paar Wochen die A-Variante (105) zu.

Dieses (fast) gleichzeitige Auftreten von zwei verschiedenen Influenza-Viren bezeichnet der Stellvertretende Direktor der Medizinischen Klinik 1 und Leiter der Intensivstation, Richard Strauß, als "Phänomen", das Folgen haben dürfte. Falls A nämlich noch mehr steigt als B abfällt, wird die Gesamtgrippe in diesem Jahr weit über Ostern hinaus andauern — und daher somit länger dauern als bei einer üblichen Ausbreitung.

Unterschiedliche Krankheitsverläufe

Auch der Krankheitsverlauf selbst sieht bei den zwei Viren unterschiedlich aus: Typ B betrifft eher ältere Patienten mit Grunderkrankungen, das A-Virus hingegen trifft auch Jüngere trifft und setzt sich vornehmlich an Lunge und Atemwegen fest, nicht selten muss der Patient in die Klinik. Daher suchten seit Anfang diesen Jahres mehr als 2000 Kranke die Internistische Notfallaufnahme im Ulmenweg auf, davon wurden bis zu Zweidrittel der Patienten aufgenommen und damit wiederum mehr als üblich (50 Prozent). 14 wurden mit Grippe auf die Intensivstation verlegt, fünf Patienten (die an schwerwiegenden Vorerkrankungen litten) starben an den Folgen.

Doch auch gesunde Patienten mit guter Konstitution können bei einem massiven Verlauf mehrere Wochen im Krankenhaus liegen, berichten Görtz und Strauß. Der personelle und organisatorische Aufwand ist in dieser Grippe-Hochzeit folglich (noch) größer als im sonstigen Klinik-Alltag.

Da die Kapazitäten für Einzelisolierungen nicht ausreichen, werden die Patienten mit jeweils dem gleichen Grippe-Virus in einem Zimmer untergebracht ("Konhortenisolierung"), das erfordert zusätzliche logistische und noch strengere hygienische Maßnahmen. "Wenn dann auch noch mehrere Mitarbeiter krank werden und sich die Grippe wie in diesem Jahr länger hinzieht als gedacht, sind unsere Ressourcen erschöpft", sagt Strauß.

Notwendig, sagt er, wäre in solchen Fällen Personal, das einspringen kann und Material, das sich abrufen lässt: "Die Politik stellt aber für das reine Vorhalten kein Geld zur Verfügung", kritisiert der Stellvertretende Direktor der Medizinischen Klinik 1 und sagt: "Was unter derartigen Bedingungen passiert, wenn wir einmal wieder eine richtige Grippe-Epidemie haben, will ich mir gar nicht vorstellen."

Zugespitzte Influenza-Situation

Eine Epidemie ist es in diesem Jahr zwar noch nicht, doch die zugespitzte Situation sieht auch das Malteser Waldkrankenhaus St. Marien. Seit Ende Dezember ist auch dort ein deutlicher Anstieg an Patienten zu verspüren, die vor allem mit Influenza Typ B zur stationären Aufnahme kommen, sagt Horst Beyer, der Ärztliche Leiter der Notaufnahme sowie des Gesamthauses. Allein seit Anfang Januar hatte das Waldkrankenhaus etwa 70 nachgewiesene Influenza-Erkrankungen bei deutlich höherer Verdachtszahl in der Notaufnahme.

Dadurch kam es in der Einrichtung an der Rathsberger Straße in den vergangenen Tagen und Wochen ebenfalls immer wieder zu Engpässen bei der Bettenkapazität. "Aufgrund der vielen Hilfesuchenden in der Notaufnahme sind zum Teil leider längere Wartezeiten unvermeidlich", sagt Beyer. Eine weitere Folge: Wie das Universitätsklinikum musste sich das Waldkrankenhaus mehrfach bei der Integrierten Leitstelle abmelden, da es keine weiteren Patienten mehr aufnehmen konnte. "Wir konnten aber diese Abmeldung oft nur auf Stunden begrenzen", betont Beyer.

In einem dieser kleinen Zeitfenster landete Michael Thümmler vom Verein Hausärzte Erlangen und Umgebung am Montagabend: Der Allgemeinmediziner musste einen Patienten mit nachgewiesener Influenza A in eine Klinik einweisen, bei der Leitstelle hieß es, der Kranke käme ins Waldkrankenhaus, aber da auch die Rettungsdienste derzeit viel zu tun haben, hatte sich die Erlanger Klinik bis zum Eintreffen schon abgemeldet, erzählt Thümmler. "Der Patient ist dann in die Klinik Hallerwiese in Nürnberg gekommen."

Auch der Mediziner, der seit 30 Jahren praktiziert, hält diese Grippe-Saison für heftig. Das sei auch die Einschätzung seiner Kollegen im Stadtgebiet. "Alle stöhnen über die nicht abebben wollende Grippe und Erkältungskrankheiten." Selbst Thümmlers kerngesunden 16-jährigen Enkel hatte die Influenza heftig erwischt. Daher rät der Arzt jedem auch jetzt noch zum Impfen: "Wir wissen nicht, wie lange die Welle noch anhält."

Keine Kommentare