Handel klagt: Zu wenig Kunden von auswärts

20.11.2011, 10:00 Uhr
Handel klagt: Zu wenig Kunden von auswärts

© Edgar Pfrogner

Werner Schmidt beschönigt die Situation nicht. „Wir haben für die Verkaufsfläche von 99000 Quadratmetern mit Einzelhandel in der Innenstadt einfach zu wenige Kunden“, bemängelt der Geschäftsführer der Galeria Kaufhof und Vize-Vorsitzende des Erlanger „Handelsverbands Bayern — Der Einzelhandel (HBE)“ im Gespräch mit den EN.

Auch der Schub durch die Arcaden mit allein 20000 Quadratmetern Verkaufsfläche im September 2007 habe zwar zu einem Aufschwung, aber nicht in der erhofften Größenordnung gesorgt, sagen Schmidt und Kurt Greiner, der HBE-Ortsvorsitzende, unisono. Das Kardinalproblem: Es werden zu wenige Käufer von auswärts in die Geschäfte der Hugenottenstadt gelockt.

Darin sehen die Vertreter der knapp 150 HBE-Mitgliedsbetriebe sich sogar einig mit Gutachter Stefan Leuninger von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA), der Erlangens Einzelhandelsstruktur für ein Entwicklungskonzept untersucht hat. Er analysiert, dass es keiner anderen Großstadt vergleichbar gut gelungen sei, den Handel im Zentrum zu halten. Doch: Erlangens innerstädtische Vielfalt sei auswärtigen Kunden zu wenig bekannt.

OB Siegfried Balleis sieht das ähnlich. Man habe sich durch die Arcaden „ein bisschen mehr versprochen, was zusätzliche Umsätze angeht“. Andererseits stehen auf dem Parkplatz häufig Autos mit Kennzeichen aus benachbarten Gemeinden und Kreisen. „Aber es kann nie genug sein“, schmunzelt der OB.

Ein deutlicher Brennpunkt ist der Altstadtmarkt, „der sich schwer tut“ (Schmidt) und klar das „Sorgenkind“ ist (Balleis). Die neue Eigentümerin, eine Gesellschaft in Israel, habe angekündigt, das Areal weiter zu entwickeln. „Ich erwarte Stück für Stück eine Aufwertung“, sagt der OB im Gespräch mit den EN. Parallel dazu hofft Balleis auf Erfolge der „außerordentlichen Bemühungen“ Stefan Backers für den Altstadtmarkt. Der Experte aus dem City-Management, dem 120 Erlanger Einzelhandelsbetriebe angehören, wirbt um Neuansiedlungen.

Eine Hoffnung der Händler ruht auf dem Vorhaben, dem Neuen Markt als „Food-Schwerpunkt“ neues Leben einzuhauchen. Generell beklagen Greiner und Schmidt, der gesamte nördliche Bereich werde von der Kundschaft nicht in gewünschtem Maße besucht, während der Süden durch die Arcaden deutlich gestärkt worden sei. Greiner: „Der Kundenstrom von Süd nach Nord ist behindert.“

Leerstände vertreiben Flaneure

Seit 1972, schon zur Zeit der Abwahl seines Vorvorgängers Heinrich Lades, diskutiere man über die Probleme des Handels im Erlanger Norden, erinnert sich OB Balleis: „Deshalb habe ich auch den Bau der Arcaden unterstützt, damit der Schwerpunkt ein bisschen nach Norden verlagert wird.“

Leerstände machen Standorte für Flaneure unattraktiv und den HBE-Leuten Kopfzerbrechen, an erster Stelle das Loch, das die Schließung der Grande Galerie 2008 in die Ladenzeile der Nürnberger Straße gerissen hat. „Ganz entscheidend wird sein, welche Geschäfte in den Neubau einziehen werden“, so Schmidt. Er hofft auf zugkräftige Namen als Nachbarschaft. Gerüchte, denen zu folge auch ein ganz Großer mit dem Gedanken spielt, umzuziehen, lassen sich im Augenblick noch nicht verifizieren. Nach OB Balleis’ Informationen soll der Schwerpunkt in der neuen „Galerie“ auf dem Textilbereich liegen.

In den 772 Einzelhandelsbetrieben Erlangens, 463 davon in der Innenstadt, arbeiten immerhin 4500 Beschäftigte. Die Kaufkraft der Erlanger ist gut; Balleis verwendet nicht gern den Begriff „reiche“, aber „wohlhabende Einwohnerschaft“. Doch das Verhältnis zwischen Kaufkraft und Einzelhandelsfläche ist mehr als ausgereizt. Der Umsatz im Jahr 2000 lag bei 719 Millionen Euro, 2010 stieg er laut GMA-Gutachten auf 770 Millionen — allerdings mit den neuen Arcaden. Die Kaufkraftkennziffer hingegen (100 ist Standard) ist von 128,1 im Jahr 2000 auf 125,2 im vergangenen Jahr und 124,8 heuer gesunken.

Was fehlt im Fächer der Erlanger Auslagen? Greiner und Schmidt zählen auf: Kinderausstattung mit Spielwaren in großem Stil; und normaler, nicht gehobener Wohnbedarf.

Der Einkaufstempel Arcaden, der auch in den Nachbarstädten für seine Attraktionen wirbt und dort die Konkurrenz auf Trab hält, wirkt nach wie vor als Magnet. Freilich: Wie in fast allen derartigen Zentren boome das Erdgeschoss, während Basement (Untergeschoss) und Obergeschoss Abstriche hinnehmen müssten, bestätigen Fachleute. Wechsel der Geschäfte und Filialen ist mitunter die Folge. Doch die Strahlkraft der Arcaden ist ungebrochen und beruhigt auch die kleinen und mittleren Einzelhändler.

Durch die Ansiedlung neuer Marken, die „es vorher nicht in Erlangen gab, haben die Arcaden auch für ein hohes Niveau an Geschäften“ gesorgt, so Rainer Borst, bis September Center-Manager des Hauses, und sein Nachfolger Norman Naehrig.

Generell beklagen Kurt Greiner und Werner Schmidt ein Defizit an Gewerbeflächen für junge Unternehmer aus den Gründerzentren und das Dauerproblem des Autoverkehrs in Erlangen. Kunden, so sagen sie, wollen bequem in die Innenstadt gelangen können und vor die Haustür der Geschäfte fahren — „bei uns in der Stadt ist das nicht immer einfach“, spotten die Einzelhandels-Funktionäre.(Bericht über die Sogkraft

der Erlangen Arcaden folgt)

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