Hemhofen: "Ich folge meinem Instinkt"

16.6.2017, 11:00 Uhr
Hemhofen:

© Foto: Ralf Rödel

HEMHOFEN – Mit Unverständnis ist anfangs immer zu rechnen: Mutter Kuntschnik jedenfalls war einigermaßen überrascht, als sich ihr damals knapp 15-jähriger Sohn Thomas 1998 mit seinem ersten Lohn als Maler- und Lackierer-Azubi einen Plattenspieler zulegte ("Was willst du mit einem Plattenspieler, es gibt doch jetzt CDs.") Ihre Befürchtung, dass dies so weitergehen werde, bewahrheitete sich: Vom zweiten Lohn kaufte sich Thomas – genau, den zweiten Plattenspieler.

Doch nicht unbändiger Wille zum schier endlosen Hör-Konsum war Antrieb des Teenagers und HipHop-Fans für den Kaufrausch: "Ich wollte scratchen und habe mir an diesen beiden Plattentellern alles selbst beigebracht." Das Scratchen, also die Erzeugung von Tönen durch rhythmisches Hin- und Herbewegen einer laufenden Schallplatte auf einem Plattenspieler bei aufgelegter Nadel, guckte sich Kuntschnik von US-Szene-Größen ab, die er in Videos studierte.

Der nächste Schritt war nur folgerichtig und ließ nicht lange auf sich warten: "Kannst du mal in einem Club auflegen?", wurde Kuntschnik gefragt. Warum nicht? Gemäß seinem Motto "Alles so gut wie möglich machen" übte er gemeinsam mit anderen DJs an den Wochenenden, bevor er, als "DJ Cutsneak" (so sein Künstlername), selbst auflegte – in "Das Büro" im Fürther City-Center, im "Stairs-Club" in Eckental, im Erlanger "Hörsaal", wo er bis 2010 die Black- und HipHop-Area bespielte.

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© Foto: privat

Das Geld, das er dabei verdiente, legte er gleich wieder in neues oder auch gebrauchtes Equipment an: "Es hat sich immer alles selbst finanziert." Zweimal war er bei der Deutschen DJ-Meisterschaft unter den zehn besten Discjockeys Deutschlands dabei. Und immer war er auf der Suche nach dem optimalen Sound: "Wie geht das, dass es so klingt, dass es die Masse hören will?"

Im Jahr 2008 schließlich zündete Thomas Kuntschnik die Stufe Drei seiner – jawohl, immer noch – Hobby-Karriere: Er wurde Produzent für andere Musiker, erstellte eigene Akkord- und Melodie-Linien an Keyboard und Rechnern – wiederum autodidaktisch.

Ein glücklicher Umstand gleich zu Beginn wurde zum Erfolgsschub für den Jung-Produzenten: Der deutsche Rapper Curse hatte im Vorfeld seines Konzerts im Erlanger E-Werk verkündet, dass, falls sein (damals) aktueller Song auf Platz 1 der MTV-Charts käme, er sofort, "egal, wo ich bin", "im nächstgelegenen Studio" einen Dankeschön-Song für seine Fans aufnehmen werde.

Just an jenem Tag in Erlangen trat genau diese Platzierung ein, Curse erinnerte sich an sein abgegebenes Versprechen – und das nächstgelegene Studio war das von Thomas Kuntschnik. Also fand man sich dort um Mitternacht in Mannschaftsstärke ein, ein Rap-Text wurde schnell geschrieben, Kuntschnik steuerte die Musik bei, Curse sang, und noch vor Ende der Nacht war alles im Kasten. "Dieses Ereignis", gibt Kuntschnik zu, "war natürlich ein Türöffner für mich."

Seitdem hat der heute 33-Jährige nahezu alle Rapper in Erlangen und im Umland produziert, kümmert sich aber auch um R&B-Bands. In seiner langjährigen Eigenschaft als Jury-Mitglied beim Erlanger Newcomer-Festival sprach er auch Nachwuchsgruppen direkt an, ob sie Interesse am eigenen Tonträger hätten. Er produziert Ray Horton (Ex-"Milli Vanilli"), bearbeitet Download-Songs von "Voice of Germany"-Kandidaten und unterlegt Werbetrailer sogar mit Klassik-Klängen. Selbst Privatleuten, die nur mal schnell für Hochzeits- oder Geburtstage Selbst-Eingesungenes haben wollen, gibt Kuntschnik musikalische wie technische Unterstützung.

Im Februar nun kam der Anruf vom Management von Patricia Blanco: Ob Thomas Kuntschnik eine leichte Sommersong-Nummer basteln könne? Kuntschnik konnte, und bereits Mitte März wurde im Zirndorfer Newmanity-Studio von Peter Newman, der auf der Single gemeinsam mit Patricia Blanco zu hören ist, "Find my Way" aufgenommen. "Am frühen Nachmittag fingen wir mit den Aufnahmen an, am Abend waren wir durch", erzählt Kuntschnik.

Der federleichte Song besteht aus modernen Deep House-Sounds, gemischt mit aktuellen Gitarren-Pop-Sounds und erscheint jetzt als Online-Release in allen Portalen. Demnächst erscheinen das in Monaco gedrehte Music-Video und die CD. Ein Auftritt des Duos Newman/Blanco im "ZDF-Fernsehgarten" ist für Juli/August geplant. In der Zwischenzeit ist Kuntschnik aber mit etwas Anderem beschäftigt: Er hat den Auftrag bekommen, sich um den Audio-Mix in 5.1-Kinoton-Technik für den in Nürnberg gedrehten Action-Film "Macho Man 2" zu kümmern. Einen weiten und langen Weg hat Thomas Kuntschnik in knapp zwanzig Jahren zurückgelegt, vom winzigen, mit Schaumstoff schallgedämmten Alterlanger Kinderzimmer ins heutige zwölf Quadratmeter große Studio in Hemhofen mit seinem 40 000 Euro teuren Equipment.

Wie lange kann das noch so weiter gehen, ohne ins Profi-Lager zu wechseln, ja wechseln zu müssen? Thomas Kuntschnik, der sich als beinharter Autodidakt alles selbst beigebracht hat ("Ich kenne noch nicht mal Akkorde, ich folge meinem Instinkt und dem guten Klang") und im Brotberuf bei der Deutschen Post arbeitet, weiß es selbst nicht so genau: "Ich bin da extrem vorsichtig. Ich muss bei all dem, was ich mache, voll dahinterstehen, da nehme ich mir halt die Zeit und arbeite auch mal monatelang an einem Mix. Ich arbeite auch nur mit Leuten, mit denen ich mich gut verstehe. Das Schlimmste ist, wenn man was machen muss. Da käme ich wahrscheinlich mit dem Stress nicht klar."

Ein Ziel hat Thomas Kuntschnik aber doch: "Ich möchte mal Mastering-Ingenieur werden." In diesem Fall hätte dann auch das kürzlich neben der Studio-Tür aufgehängte Firmenschild seine tatsächliche Existenzberechtigung: "Sneak Music Inc. – Recording – Mixing – Mastering".

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