In Möhrendorf gegen das Vergessen anlesen

6.1.2018, 14:00 Uhr
In Möhrendorf gegen das Vergessen anlesen

© Foto Harald Sippel

Die Atmosphäre in der Erlanger Straße 74 ist völlig entspannt. Eine Frau mit unbändigem Bewegungsdrang ist ständig unterwegs. Mal öffnet sie die Tür zur Terrasse und will hinaus, mal macht sie sich auf den Weg in den Keller. Und immer ist jemand vom ambulanten Dienst zur Stelle und holt sie freundlich zurück. "Heute ist es viel zu kalt draußen, bleiben’S lieber da herinnen. Bereitwillig lässt sich die verwirrte Frau von der Tür weg führen, begrüßt die Besucher mit offenem Blick und herzlichem Handschlag. Und wandert dann weiter durch den Raum.

Derweil hat sich Elfriede Süß mit einem Bildband neben Otto Schickert gesetzt. Der feiert an dem Tag Geburtstag und freut sich über jeden Glückwunsch zu seinem Festtag, ebenso über die Tafel Schokolade, die vor ihm liegt. Ganz besonders strahlen seine Augen, als eine Delegation von vier Männern hereinkommt, alles ehemalige Fußballkameraden, die ihm zum Geburtstag gratulieren. Da hat doch der Name des Vereins " Vergissmichnicht" eine schöne Bestätigung gefunden.

Und das ist etwas, das auch Otto Schickert noch nicht vergessen hat. Mit Leib und Seele hat er sich als Junger dem Fußball verschrieben. Gemeinsam mit Elfriede Süß schaut er sich den Bildband an, streicht ihr über die Wange und fragt, was da denn zu sehen sei. Um gleich fortzufahren "Ich bin Fußballer. Und mein Vater ist der Vorstand."

Männliche Lesepaten gesucht

Szenenwechsel: In der Demenz-Wohngemeinschaft im ersten Stock hat Sonja Werner mit einem Märchenbuch an einem Tisch Platz genommen. Um sie herum gruppieren sich zwei Frauen und ein Mann. Andere sitzen weiter weg. Werner hat wohl keine schlechte Wahl getroffen mit dem Märchen vom Mäusekönig. "Mäuse kennen Sie doch alle, oder?" fragt sie in die Runde. "Ja", antwortet ihr eine Frau entschieden, "sehr wohl, ich hatte sogar mal eine in der Wohnung."

Dann lauscht sie, wie die unzufriedene Maus in die Welt hinauszieht, sich in einem Vogelnest breit macht und sich zum Mäusekönig erklärt. Die Geschichte kommt gut an und Sonja Werner schickt gleich ein zweites kurzes Märchen hinterher. Am Ende muss sie gleich versprechen, dass sie wiederkommt, um erneut vorzulesen. Bereitwillig tut sie das, macht gleich einen Termin aus.

Wolfgang Eibl, Initiator der Möhrendorfer LesePaten, freut sich über den gelungenen, weil unkomplizierten Auftakt der Aktion. Er ist zufrieden, dass sich so viel Frauen gemeldet haben, die sowohl in den beiden Demenz-Wohngemeinschaften als auch in vier Möhrendorfer Kindegärten vorlesen wollen.

"Durch die Vielzahl der Lesepaten ist es möglich, auch Senioren zu besuchen, die körperlich eingeschränkt sind", frohlockt er. Ihnen könne aus der Zeitung oder aus ihrem Lieblingsbuch vorgelesen werden.

Ganz vollkommen ist das Projekt für Eibl freilich noch nicht. Für die Jungs in den vier Möhrendorfer Kindergärten sucht er noch männliche Lesepaten, die zum Beispiel Technik kindgerecht erklären können.

Wer Lust hat, bei den LesePaten mitzumachen, kann sich bei Wolfgang Eibl, Neue Straße 35, Möhrendorf, Telefon (0 91 31) 6 87 97 77 melden.

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