In Möhrendorf langt der Staat kräftig zu

30.9.2017, 19:00 Uhr
In Möhrendorf langt der Staat kräftig zu

© Harald Hofmann

Der junge Mann ist laut Bürgermeister Thomas Fischer mit seinem Bruder hier. Beide seien sehr um Integration bemüht, hätten eifrig Deutsch gelernt. Obwohl Ismael (Name von der Red. geändert) als Asylant noch nicht anerkannt ist, hat er eine Arbeitserlaubnis erhalten und arbeitet jetzt in einem Supermarkt. Dort verdient er so viel, dass ihm 900 Euro netto im Monat bleiben.

Da er noch im Asylverfahren steckt, muss er zurzeit noch in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Er teilt sich mit fünf weiteren Asylsuchenden eine zirka 60 Quadratmeter große Wohnung. Ein großer Aufenthaltsraum und ein Schlafzimmer mit sechs Stockbetten, eine Küche, ein Bad. Dafür zahlt Ismael 278 Euro plus 33 Euro Nebenkosten, so der Bescheid der Regierung von Unterfranken, die diese Gebührenbescheide für ganz Bayern verschickt.

Weit über dem Schnitt

Teilt man die Wohnfläche durch sechs, kommen auf jeden Bewohner zehn Quadratmeter Wohnraum. Das macht in diesem Fall einen Quadratmeterpreis von 27,80 Euro Kaltmiete aus. Das wäre Wucher, zumal der Mietzins, den der Vermieter der Wohnung erhält, sich im Rahmen dessen bewegt, was laut Thomas Fischer derzeit in Möhrendorf verlangt wird, nämlich zwischen zehn und 13 Euro je Quadratmeter.

Aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen und sich eine eigene Wohnung nehmen, ist jedoch auch nicht einfach. Voraussetzung für einen Flüchtling, der noch im Anerkennungsverfahren steckt, ist nicht nur, dass er bereits ein halbes Jahr in Arbeit sein muss, sondern auch, dass sein Arbeitsverhältnis unbefristet ist. Dann kann die Ausländerbehörde einem Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft zustimmen. Freilich bestünde immer noch die Schwierigkeit, als Iraker eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu finden.

Eine Pauschale

Auf die Höhe der Gebühr angesprochen, antwortet Johannes Hardenacke, Pressesprecher der Regierung von Unterfranken, den EN: "Wir vollziehen mit der Gebühr eine gesetzliche Vorschrift, die nicht nach Wohnungsgröße oder -qualität differenziert." Die 278 Euro sind also eine Pauschale, die die Flüchtlinge zu zahlen haben. "Wenn der Iraker 900 Euro netto verdient, ist er voll dabei", bestätigt Hardenacke.

Gleichwohl sagte er, könnten die Gebühren bei Unterbringung in einer Notunterkunft um bis zu 50 Prozent reduziert werden. Es handle sich aber eben um eine Gebühr, nicht um eine Mietzahlung. Zur Gebhührenpflicht in der Asyldurchführungsverordnung (DV Asyl) heißt es in §22 Abs.1: "Für die Inanspruchnahme von staatlichen Einrichtungen gemäß der §§ 4 und 5 sowie anderer gewährter Sachleistungen werden von der zuständigen Behörde" Benutzungsgebühren nach dieser Verordnung erhoben . . ." Allerdings fährt die DV Asyl mit § 23 so fort: Die Höhe der Gebühr für die Unterkunft beträgt für alleinstehende oder einem Haushalt vorstehende Person monatlich 278 Euro, für Haushaltsangehörige monatlich 97 Euro."

Und auch im Gebührenbescheid für Ismael heißt es eindeutig, dass er die Gebühr von 278 Euro plus 33 Euro Nebenkosten für die Nutzung der Unterkunft der Regierung von Mittelfranken zu entrichten habe. Rein auf die Quadratmeterzahl bezogen, räumt Hardenacke ein, wäre das ein horrender Mietzins. Aber der Staat erbringe ja gegenüber den Asylbewerbern verschiedene Leistungen, die in der Gebühr enthalten seien.

Das mag wohl sein, doch ausgewiesen oder erkennbar ist es nicht, welche Leistungen der Staat hier erbringt, für die der Flüchtling geradestehen soll. Dieses Themas hat sich nun eine Passauer Anwaltskanzlei angenommen. Und Pro Asyl will einige Verfahren als Musterverfahren anstreben (duennwald@fluechtlingsrat-bayern.de)

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