Kindliche Einflüsterungen in der Dunkelheit

22.5.2017, 14:04 Uhr
Kindliche Einflüsterungen in der Dunkelheit

© Foto: Ulrich Schuster

Jeder kennt die Situation im Kino: Man liefert sich in einem dunklen Raum den Emotionen aus, die von der Leinwand herunter direkt aufs Gemüt zielen – dank großer Bilder. Was aber nun, wenn man die Bilder nicht sieht? Wenn es keine Dialoge gibt, sondern nur Toneffekte? Wenn man also blind ist und ahnungslos, was da gerade auf der Leinwand passiert?

"Blind Cinema" nennt Britt Hatzius ihre Performance, die sie nach vielen Gesprächen mit Blinden entwickelt hat. "Die heutige Überflutung mit Bildern trifft auf die Welt des Nichtsehens", sagt die Künstlerin. Aber da gibt es ja noch die Sprache, die beschreiben kann. "Mich interessiert die Schwierigkeit des Sich-Ausdrückens, das Finden von Wörtern, das direkte Reagieren mit Worten auf gerade Gesehenes."

Britt Hatzius hat einen knapp 40-minütigen Film gedreht, ohne Dialoge, nur mit Tonspur. Und jetzt fängt das Experiment an: In einem Saal des Manhattan-Kinos sitzen die Besucher mit verbundenen Augen, jeweils in der Reihe hinter ihnen Kinder zwischen neun und zwölf Jahren. Mittels eines Hörrohrs mit zwei Trichtern flüstern die Kinder den "blinden" Zuschauern vor ihnen live ihre Eindrücke des Films in die Ohren. Man darf gespannt sein, wie sich die Kinder aus der Affäre ziehen, was sie für ihre Beschreibungen als wichtig erachten. Jeder sieht seinen eigenen Film.

Fit gemacht für ihre Aufgaben wurden an zwei Vormittagen alle drei 4. Klassen und eine 3. Klasse der Friedrich-Rückert-Schule. Schließlich werden für die drei Aufführungen jeweils 30 Kinder benötigt. Britt Hatzius hatte zum Workshop in die Schulaula gebeten, und die Schüler machten engagiert mit. Da wurde gleich mal nachgefragt, wer schon einmal etwas beschrieben hatte. Ein Schüler konnte diesbezüglich einen großen Vorteil vorweisen: "Meine Schwester setzt sich immer eine komische Brille auf, mit der sie nur schlecht sehen kann, und ich muss ihr dann alles beschreiben." Dann galt es, selbst die Augen zu schließen: Studenten der Theaterpädagogik, die das Projekt begleiten, gingen zwischen den Reihen der Schüler hindurch und berührten diese leicht an den Köpfen. Anschließende Fragen: "Habt ihr etwas gespürt? Wie viele Leute habt ihr gehört?" Dann schon die erste große Bildbeschreibung: Ein Kind sitzt mit dem Rücken zu einer kleinen Leinwand, auf der ein Bild projeziert ist. Ein anderes Kind flüstert seinem Duo-Partner ins Ohr, was es sieht. Die Ergebnisse sind in ihrer Unterschiedlichkeit verblüffend. Man darf gespannt sein.

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