Klischees, weibliche Lust und Pinguinen-Sex

27.6.2017, 11:00 Uhr
Klischees, weibliche Lust und Pinguinen-Sex

© Alena Klinger

Schon mal Pinguinen beim Sex zugesehen? Oder Seesternen, wie sie gerade einige Zacken verlieren? Oder Robben, wie sie ziemlich bescheuert irgendwo rumliegen? Saskia Rudat und Ivo Schneider vom "Sächsische Schweiz Kollektiv" präsentieren im Pacellihaus in ihrer Performance "Tiere! – Ein Stück über Tiere" auf ihre ganz eigene Weise skurril anmutende Beobachtungen aus dem Tierleben.

Dazu schlüpfen sie im heißen Saal in entsprechende Ganzkörperkostüme mit witzigen Accessoires, rezitieren im knochentrockenen Duktus einschlägig bekannter TV-Tiermagazine die dort aufbereiteten Informationen und spielen dazu pantomimisch gekonnt die vorgestellten Tiere. Eine tolle physische Leistung, gekrönt von still-verschmitztem Humor. Clownesk und sehr komisch!

Tee und Gebäck

Die Besucher werden hier einzeln überschwänglich begrüßt, es gibt Tee und Gebäck, man soll sogar die Schuhe ausziehen und es sich in bereitgestellten Hauspantoffeln gemütlich machen: Klar, Ausländer lieben es familiär und emotional, das ist schon mal das erste Klischee. Im teppichübersäten (Klischee!) Bürgersaal des Palais Stutterheim präsentieren Faraz Baghaei, Ruzbeh Miromayadi und Mohammad Salamat mit "Wer sind Sie? Was machen Sie hier!" eine beeindruckende Szenenfolge darüber, was es heißt, aus dem Iran stammend, in Deutschland aufgewachsen zu sein.

In unterschiedlichen Gestaltungsformaten, mal dialogisch, mal monologisch, mal musikalisch, mal tänzerisch, mal pantomimisch, werden gebrochen-unlineare Biografien sichtbar – und vor allem nachvollziehbar – gemacht. Kaleidoskopartig werden Schicksale entworfen: Hier bedient man sich mal des Kabaretts, dort des Melodrams oder der Comedy – alles passt zusammen. Und Klischees (inklusive deren ironische Zurschaustellung) gehören nun mal zum Leben. Sehr gut!

Was war denn das? Vielleicht eine komisch, vielleicht auch aufklärerisch gemeinte Performance zu einem doch wirklich interessanten Thema? "Lust – Eine Performance über sexuelle Biografien und erotische Fantasien von Frauen" nennt sich die Vorstellung der Gruppe "Frauen und Fiktion". Was im Experimentiertheater visualisiert wird, sind schal-verklemmte Scherzchen über Porno-Fantasien und ebensolche Drehs, die von einschlägigen TV-Comedy-Formaten längst samt und sonders durchgenudelt sind.

Viel Soziologen-Gesumms, verschwurbeltes Feminismustheorien- Blabla, endlos lange Zuschauerbefragungen, enigmatische Tanz-Choreografien – vielleicht ist das alles aber auch gar nicht ernst gemeint gewesen? (Dann hätte es ja wieder gepasst!) Schade, wieder nichts über die weibliche Lust gelernt.

Mehr als zufrieden sind die Festival-Macher in diesem Jahr mit der Publikumsresonanz. Über 1600 Besucher strömten zu den "Arena"-Veranstaltungen. Viele Aufführungen waren bis auf den letzten Platz gefüllt.

Den Publikumspreis erspielten sich Faraz Baghaei, Ruzbeh Miromayadi und Mohammad Salamat mit "Wer sind Sie? Was machen Sie hier!". Der Preis der Jury (samt Einladung zum "ZeitzeugFestival in Bochum) ging an Ernestyna Orlowska und Tanja Turpeinen für ihre Performance "Wishing well". Ein Wiedersehen im kommenden Jahr bei der "Arena"-Koproduktion gibt es mit "Sächsische Schweiz Kollektiv".

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