Kluft ist in Erlangen extrem groß

26.5.2018, 06:30 Uhr
Kluft ist in Erlangen extrem groß

© Foto: Lino Mirgeler/dpa

Wie sich die soziale Durchmischung in 74 deutschen Städten zwischen 2005 und 2014 entwickelt hat, schildert eine aktuelle Studie des Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung, das aus den Ergebnissen den sogenannten Segregationsindex errechnete. Dieser gibt Auskunft darüber, wie viel Prozent der Bezieher von Hartz IV, der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II, in einem anderen Stadtteil wohnen müssten, damit diese Bevölkerungsgruppe gleichmäßig verteilt in der jeweiligen Stadt leben würde.

In Erlangen wären dies fast 40 Prozent. Damit liegt die Hugenottenstadt bei diesem — nicht gerade positiven – Ranking in ganz Deutschland auf Rang drei. Nur in Schwerin und Rostock ist der Segregationsindex noch höher.

Hinzu kommt, dass die besorgniserregende Entwicklung ohnehin in Ostdeutschland am stärksten ist. Innerhalb der Städte in den alten Bundesländern nimmt Erlangen sogar den ersten Platz ein.

Wenn man die Studie näher ansieht, differenziert sich freilich das Bild. So ist nämlich die Zahl der Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, in Erlangen vergleichsweise gering. Legt man Erhebungen aus dem Jahr 2017 zugrunde, empfingen zirka 1500 Frauen und Männer Hartz IV. Die Arbeitslosenquote betrug 3,9 Prozent.

Allerdings werden die sozial Schwachen in der Hugenottenstadt "stärker ausgegrenzt", wie Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) konstatiert. "Auch wenn sich die Befunde nur bedingt für Vergleiche eignen, sind sie ernst zu nehmen", hebt Janik hervor.

So zeige die Studie, dass in den vergangenen Jahrzehnten in Erlangen zu wenig auf eine gute soziale Mischung geachtet worden sei. Der Oberbürgermeister gegenüber unserer Zeitung: "Im Röthelheimpark oder auch in Neubaugebieten wie in Büchenbach ist der Anteil an geförderten Wohnungen einfach zu gering."

Dort, wo neu gebaut wird, versuche die jetzige Stadtregierung gegenzusteuern: Wo mehr als 24 Geschosswohnungen entstehen, müssen demnach 30 Prozent für den geförderten Mietwohnungsbau reserviert sein. "Bei allen großen Neubauprojekten achten wir darauf, dass durch ein Wohnungsangebot ein guter Mietermix sichergestellt wird", stellt der OB heraus.

Außerdem würden gezielt bestimmte Stadtteile aufgewertet und im Rahmen des Förderprogramms "Soziale Stadt" Räume für mehr Miteinander beispielsweise im Südosten von Erlangen um das künftige Bürger-Begegnungs- und Gesundheitszentrum in der Hartmannstraße geschaffen. Der Norden von Büchenbach soll ebenfalls von diesem Programm profitieren.

Eine weitere Initiative, um Bedürftigen eine größere Beteiligung am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, sei der "ErlangenPass". Ob der Besuch von Konzerten, Theateraufführungen, Sportveranstaltungen, ein Familientag im Schwimmbad oder Ausflüge in die Region: Wer die Kriterien erfüllt, erhält Ermäßigungen.

Für Janiks Partei, die SPD, kommt in den Daten der Studie für Erlangen "vor allem das Nicht-Handeln der Vorgängermehrheit in der Wohnungspolitik zum Ausdruck", so Fraktionsvorsitzende Barbara Pfister: "Die Daten reichen bis 2014 und zeigen eine Zunahme der sozialen Segregation. Das ist nicht überraschend, wenn man daran erinnert, dass damals über Jahrzehnte so gut wie keine geförderten Wohnungen gebaut wurden und ganze Neubaugebiete ausschließlich aus Einfamilienhäusern entstanden sind." Nun würden entschlossen Maßnahmen ergriffen, um diesen Trend aufzuhalten und dafür zu sorgen, dass überall dort, wo in größerer Zahl neue Wohnungen entstehen, auch solche für Menschen mit niedrigerem Einkommen geschaffen werden.

Jörg Volleth, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Stadtrat, weist die Kritik an der Ära Balleis zurück: "Diese Litanei hören wir immer wieder, entspricht aber nicht den Tatsachen. Man muss nur die Augen aufmachen! Am Eggenreuther Weg, aber auch in Büchenbach leben Menschen mit unterschiedlichem Einkommen keineswegs weit auseinander." Auch als Polizist komme er schließlich mit allen Schichten in Kontakt. Von einer Ghettoisierung könne man in Erlangen auf keinen Fall sprechen.

Die Gewobau, die Wohnungsbaugesellschaft der Stadt, betont, dass sie mit ihren Neubauprojekten einer "vermeintlichen sozialen Segregation entgegenwirken will." Mit einer moderaten Mietpreispolitik soll für eine breite Bevölkerungsschicht bezahlbarer Wohnraum garantiert werden.

Für Christian Pech, den Kreisvorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt, ist nicht zuletzt der Bund gefordert, damit die soziale Kluft nicht noch größer wird. Eine besonderes Augenmerk müsse auf die Senioren geworfen werden, wo gerade Frauen oft mit einer schalen Rente auskommen müssten, weil sie sich jahrzehntelang der Familie und Haushalt gewidmet hätten. Mit speziellen Angeboten wie dem Bürgerbus, der von zwei Erlanger Stiftungen unterstützt wird, versuche die Awo, vor Ort Hilfe für Benachteiligte zu leisten und diese vor Vereinsamung zu bewahren.

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