Königsklasse historisch

5.10.2012, 11:40 Uhr
Königsklasse historisch

© Draminski

Ein feines Kammermusik-Recital widmeten die Geigerin Anja Schaller, der Gambist Dietrich Haböck und die Cembalistin Martina Fiedler dem barocken Fugenmeister Bach, dessen säkulare Musik in den inspirierten Deutungen des Trios keine Spur von Erdenschwere oder gar Akademismus atmet. Und das, obwohl oder gerade weil auf authentischen Barock-Instrumenten beziehungsweise deren Nachbauten musiziert wird.

Das Fazit: Die Historische Aufführungspraxis ist endgültig im Hier und Heute angekommen und hat sich inzwischen auch jene Bereiche erobert, die bisher von den „modernen“ Musikern besetzt waren. Und dazu zählt eben auch die Kammermusik als unbestrittene „Königsklasse“ des ernsten Faches.

Vorbei die Zeiten, als die „Authentiker“ des Andersseins halber jegliches Repertoire so „gegen den Strich bürsteten“, dass man bisweilen Mühe hatte, die zugrundeliegenden Werke noch zu erkennen. Wenn sich Schaller, Haböck und Fiedler beispielsweise mit Bachs G-Dur-Sonate für Violine und Basso continuo (BWV 1021) auseinandersetzen, dann ist das Ergebnis so luftig wie alert, so strukturklar wie emotional dicht. Das gedeckte, feinschattiert pastellene Timbre der Barockinstrumente steht einer plastischen „Klangrede“ dabei nicht im Wege. Anja Schaller versteht es darüber hinaus, wohldosiert Virtuosinnenkrallen zu zeigen und Bachs Seelenpanoramen Kontur zu geben.

A-Dur-Präludium und -Fuge aus dem zweiten Teil des „Wohltemperierten Claviers“ (BWV 1016) versteht Martina Fiedler als großbogige Kontrapunkt-Studie — was in der Summe nachhaltiger beeindruckt, als vordergründige Effekthascherei.

Die E-Dur-Sonate für Geige und Cembalo (BWV 1016) profitiert von beinahe blinder Synchronizität und tänzerisch leichtfüßigem Ansatz, der dennoch Platz lässt für tiefere Inhalte, für hinterfragte Mehrschichtigkeit. Dabei nehmen die Glockenschlag-Stakkati des Cembalos im Adagio bereits Beethovens Schicksals-Symbolik vorweg — mit barocker „Nähmaschinenmusik“ hat dies nichts zu tun.

Tragische Bekenntnismusik

Dies gilt in noch stärkerem Maße auch für die g-Moll-Violinsonate (BWV 1001), die bei Anja Schaller tief empfundene Bekenntnismusik ist und ein hohes Maß jener autobiografischen Tragik atmet, die ureigen zu diesem ergreifenden Stück gehört.

Eher heiter, fast volkstümlich gibt sich die D-Dur-Sonate für Gambe und Cembalo (BWV 1028), deren latenter Humor in Dietrich Haböck einen farbig aufspielenden, technisch sehr souveränen Sachwalter findet.

Ein schöner Spaß steht am Schluss. Auf die „Goldberg-Variationen“ singt das Trio schräge Spottverse: „Hätt‘ meine Mutter Fleisch gekocht, so wär‘ ich länger blieben. Kraut und Rüben haben mich vertrieben.“ E-Musik muss nicht bierernst sein.

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