Kulturraum, Schonraum, wenig Freiräume in Erlangen

18.9.2017, 06:00 Uhr
Kulturraum, Schonraum, wenig Freiräume in Erlangen

© Harald Sippel

Es gibt jedenfalls Hoffnung. "Wir haben hier studiert", sagt Laura Jacobi. "Und wir haben nicht gesagt, wir sind danach eh weg." Vier Studenten – darunter Laura Jacobi – haben in Erlangen den homunculus-Verlag gegründet. Jetzt sitzt die Jungverlegerin gemeinsam mit Erlangens Kulturreferentin Anke Steinert-Neuwirth, dem in Erlangen lebenden Focus-Kulturreporter Frédéric Schwilden und zwei EN-Redakteuren – Markus Hörath, dem Redaktionsleiter der Erlanger Nachrichten, und Kulturredakteur Stefan Mößler-Rademacher – an einem Tisch.

"Ich würde nicht nach Erlangen ziehen wegen der Kultur hier", hat Frédéric Schwilden soeben gesagt — und trotzdem eingeräumt, dass man durchaus stolz sein könne. Auf das E-Werk zum Beispiel. Auf die Festivals — Comicsalon, Figurentheaterfestival, Poetenfest. Oder auf das Kunstpalais, das Schwildens Frau Amely Deiss leitet — und deshalb, so sagt er, sei er in letzterem Fall auch parteiisch.

So klein also ist Bayerns kleinste Großstadt, dass ihre Einwohner — und natürlich auch die Kulturakteure — sich kennen. Manchmal eben auch näher. Die Jungverleger des homunculus-Verlags wiederum — benannt nach dem von Goethes Faust erschaffenen Homunculus, dem Sinnbild für Kreativität — sind jedenfalls nicht in eine große Großstadt abgewandert. "Wahrscheinlich hätten wir in Berlin viel mehr kämpfen müssen, um wahrgenommen zu werden", vermutet Laura Jacobi. In Erlangen dagegen seien sie "mit offenen Armen empfangen" worden, die Gründung der verlagseigenen Kulturzeitschrift "SeitenStechen" sei nicht zuletzt durch die Erlanger Kulturförderung erst möglich gemacht worden.

Das ist also, aus Sicht einer Kulturschaffenden, der Vorteil Erlangens. Und der Nachteil? "Viele sehen in Großstädten wie Berlin mehr Potenzial", sagt Laura Jacobi. Weil es dort vorgefertigte Strukturen und entsprechende Veranstaltungsorte gebe. Aber dann sei eben auch der Konkurrenzdruck größer.

Ein "Schonraum", so knüpft Anke Steinert-Neuwirth an, könne Erlangen für junge Kulturschaffende erst mal sein — und sie hoffe immer, dass diese in der Stadt bleiben. "Für die Betreiber des Manhattan gab es diesen Schonraum nicht", konfrontiert Frédéric Schwilden daraufhin die Kulturreferentin mit dem Stadtratsbeschluss, in dem kürzlich die Pläne, die Grünfläche neben dem Manhattan für einen kulturellen Zweck freizugeben, ablehnt worden waren.

Damit ist quasi auch ausgesprochen, was alle längst wissen: Dass bei diesem Stammtisch vor allem von der Kulturreferentin — seit März bekleidet die frühere Erlanger Kulturamtschefin dieses Amt — Antworten erwartet werden. Und schnell wird deutlich, dass es nicht damit getan ist, wenn sie auf die Frage nach der Kulturszene Erlangens von "gewachsener Vielfalt" spricht, von "verschiedensten Formaten". Davon, dass "wir in Erlangen sehr breit aufgestellt sind". Oder auch, dass sich all dies erst auf den zweiten Blick erschließe.

Hier geht es auch darum, ob es in der Stadt für eine junge, frische, kreative Kulturszene überhaupt noch Freiräume gibt. Das zum einen. "Das fehlt in Erlangen wirklich", sagt Anke Steinert-Neuwirth — sie hoffe, dass sich irgendwann noch einmal so etwas auftut wie einst der Museumswinkel. Und zum anderen, ob nicht, wie Frédéric Schwilden etwas provokativ meint, eine "Exzellenzkultur" gefördert werden müsste. Dieser Seitenhieb geht allerdings auch in Richtung großer Firmen.

Und die Stadt? "Wir geben in Erlangen jedes Jahr 20 Millionen Euro für Kultur aus", sagt Anke Steinert-Neuwirth. Das seien 5,9 Prozent des Gesamthaushaltes — und damit liege man bayernweit im "guten Durchschnitt". Eine Balance müsse die städtische Kultur herstellen — dass alle es sich leisten können. Zufrieden könne man mit den Festivals sein — wobei über eine mögliche Weiterentwicklung ständig nachgedacht werde. Nachholbedarf gebe es aber im öffentlichen Raum. "Da haben wir wahnsinnig viel Potenzial", sagt die Kulturreferentin. Ein Beispiel: Beim nächsten Figurentheaterfestival wolle man Lichtkunstprojekte intensivieren. Sie räumt auch ein, dass man beispielsweise beim Kirchner-Garten längst hätte aktiv werden können.

Eine Vision für die Zukunft? Erlangen braucht mehr Selbstbewusstsein. Oder auch: "Sachen, die sich bewährt haben, dürfen nicht ins Wanken geraten", sagt Laura Jacobi. Zum Beispiel das Manhattan. "Wir werden in der Frage der Kinolandschaft den Faden wieder aufnehmen", entgegnet Anke Steinert-Neuwirth.

1 Kommentar