Laut gegen Rechts

18.3.2013, 10:21 Uhr
Laut gegen Rechts

© Günther Distler

Wo steht eigentlich geschrieben, dass man mit 88 Jahren nicht mehr vor einem Publikum rappen kann? Oder dass man, wegen der Strapazen, in diesem Alter nicht nachmittags in Erlangen und dann abends nochmal in München auf der Bühne stehen kann? Esther Bejarano schert sich um derlei Annahmen keinen Deut und hat am Samstag genau dies getan. Ihr Antrieb ist, dass sie eine Botschaft unter die Leute bringen will.

Laut gegen Rechts

Esther Bejarano hat als junge jüdische Frau Auschwitz überlebt. In Erlangen sagt sie von der Bühne herunter zu den Kindern und Jugendlichen, die vor ihr stehen: „Liebe Jungen, liebe Mädchen, ich glaube an euch.“ Und zuvor hat sie gesagt: „Wir wünschen uns, dass ihr Widerstand leistet wie damals die Widerstandskämpfer gegen den Hitlerfaschismus.“

Laut gegen Rechts

Esther Bejarano sagt solche Sätze wieder und wieder, vor Schulklassen – so wie am vergangenen Freitag in der Realschule am Europakanal —, bei öffentlichen Auftritten. Die Frau, die nicht größer ist als die Siebtklässler des Christian-Ernst-Gymnasiums vor ihr, erklärt das, was sie antreibt, so: „Das Bedeutendste und Kostbarste aus der deutschen Geschichte ist und bleibt der antifaschistische Widerstand.“

Für ein Verbot der NPD

Es rührt an, dass sie, angesichts ihrer persönlichen Lebensgeschichte, diesen positiven Blick hat, dass sie nicht resigniert hat, nicht innerlich zerstört und verbittert ist. Und gleichzeitig könnte nichts überzeugender sein, als wenn gerade sie sich zu Wort meldet und Stellung nimmt zur aktuellen Debatte um ein mögliches Verbot der NPD: „Solange die NPD noch nicht verboten ist, müssen wir alle uns einmischen und von der Regierung fordern, endlich zu handeln.“ Oder wenn sie ihre Stimme erhebt zu den NSU-Morden, die, wie sie sagt, „offensichtlich unter rechtszugedrückten Augen“ geschehen konnten. Und die eben deutlich machten, dass man nicht nachlassen dürfe in der Wachsamkeit.

Esther Bejarano spricht klare Worte. Und sie – eine der letzten Überlebenden des Mädchenchores in Auschwitz – verpackt ihre Botschaft auch in Musik. Gemeinsam mit ihrer Tochter Edna und dem Sohn Joram gründete sie Anfang der 80er Jahre die Gruppe Coincidence und trat mit Liedern aus dem Ghetto und jüdischen sowie antifaschistischen Liedern auf. Vor vier Jahren veröffentlichte sie mit der Kölner Rap-Band „Microphone Mafia“, die in ihren Texten auch gegen Rechtsradikalismus ansingt, eine erste CD.

Auf dem Hugenottenplatz trat sie jetzt mit ihrem Sohn und der Microphone Mafia auf — und wurde bejubelt, auch von den Jugendlichen, denen sie ein ganzes langes Leben voraus hat. Und die sie, genauso wie die Älteren, in die Pflicht nimmt, wenn sie sagt: „Ihr auf den Plätzen und Straßen, die ihr keinen Fußbreit dieser Stadt den Neonazis überlassen wollt, ich grüße euch.“

Dass die Stadt sich in der Pflicht sieht, war zuvor bereits deutlich geworden. Denn sie veranstaltet die „Internationalen Wochen gegen Rassismus“, hat damit auch die Kundgebung initiiert und Esther Bejaranos eingeladen. Sechs „Schulen ohne Rassismus“ gibt es inzwischen in Erlangen, die „Stompers“ vom CEG trommelten diesmal lautstark gegen Nazis. „Wir hoffen, dass wir etwas ändern und bewirken können“, sagten die Schüler.

„Diese Kundgebung ist ein lauter Aufschrei gegen rechtsextreme Umtriebe in unserem Land“, sagte Erlangens erste Bürgermeisterin Elisabeth Preuß. Der Stadtrat und die Stadtverwaltung hätten dies vielfältig gezeigt, zum Beispiel durch Mitgliedschaft in der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion, durch Teilnahme an Demonstrationen gegen Nazi-Aufmärsche wie in Gräfenberg oder durch Kooperation mit der Aktion Courage. Das Engagement gegen Rechts werde auch in Zukunft nicht nachlassen. So werde die Stadt im Herbst Gastgeber der Deutschlandkonferenz von ECCAR, der europäischen Koalition von Städten gegen Rassismus, sein.

Unerträglich, so Preuß, sei es, dass das Justizsystem die Leugnung des Holocausts nicht konsequenter verfolge, dass der NSU so lange unentdeckt morden konnte, dass „wir unsere Straßen und Plätze für Naziaufmärsche und Kundgebungen hergeben müssen.“

Rassismus im Alltag

Gegen nationalsozialistische Umtriebe und Rassismus sprachen außerdem die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns, Mitra Sharifi Neystanak, die Grünen-Stadträtin Pierrette Herzberger-Fofana und ein Vertreter der IG Metall.

Dass Rassismus nicht nur bei den Rechtsextremen zu verorten ist, darauf machte Mitra Sharifi Neystanak aufmerksam. Es gebe ihn eben nicht nur am Rand der Gesellschaft, sondern in ihrer Mitte, im Alltag, „in den Köpfen, in Handlungen, aber auch in diskriminierenden Regeln und Strukturen“. Integrationspolitik sei dagegen ein Schlag gegen den Rassismus, jede Einbürgerung zeige, „dass das Volk bunter und vielfältiger geworden ist.“

Lobende Worte fand Pierrette Herzberger-Fofana für die Jugendlichen der „Schulen ohne Rassismus“. Sie seien ein leuchtendes Beispiel dafür, „dass unsere heutige Jugend sich mit Begeisterung engagieren kann“. Dass die Schüler „Hand in Hand mit Menschen aller Hautfarben die gleichen Werte von Gerechtigkeit teilen wollen“, mache Hoffnung.

Bildergalerie unter www.erlanger-nachrichten.de

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