Lernen in Erlangen auf andere Art

13.11.2014, 13:18 Uhr
Lernen in Erlangen auf andere Art

© Foto: Harald Sippel

Helmut Klemm ist ein Mann mit einer Vision – und mit dem Ehrgeiz, diese Vision zu verwirklichen. Der Leiter der Eichendorffschule hat in diesen Tagen viel zu tun. Erstmals stellt er sein Konzept, an dem er seit längerem gearbeitet hat, der Öffentlichkeit vor – heute im Bildungsausschuss, morgen bei der Bildungskonferenz im Rathaus.

Die Mittelschule soll zu einer echten schulischen Alternative werden: Diese Motivation steht hinter den Bestrebungen des Schulleiters. Derzeit spielt die Mittelschule eine eher untergeordnete Rolle – die nüchternen Zahlen bei den Übertrittsquoten in der „Bildungsstadt“ Erlangen sprechen eine klare Sprache. 75 Prozent der Schüler streben von den Grundschulen an die Gymnasien und Realschulen, lediglich 25 Prozent besuchen eine der drei Mittelschulen – und das, obwohl diese sich zu einem Mittelschulverbund zusammengeschlossen haben, Vorbereitungsklassen sowie einen Mittlere-Reife-Zug anbieten und bereits weitere strukturelle Veränderungen eingeleitet haben.

„Schule im Aufbruch“

Nun also soll sich, nach Helmut Klemms Vorstellungen, an der Eichendorffschule Grundlegendes ändern. Dass die Bildungseinrichtung zur reinen gebundenen Ganztagsschule werden soll, in der die Stundenplangestaltung beispielsweise mehr Projektarbeit zulässt, scheint dabei nur der kleinere Schritt. Der größere ist die völlig andere pädagogische Herangehensweise. Die Schüler sollen zu Gestaltern ihres Lernens werden, sollen individuell und selbstbestimmt ihr eigenes Potenzial entfalten. Das ist der Kernsatz, den sich die Initiative „Schule im Aufbruch“ auf die Fahne geschrieben hat und auf die sich Klemm in seinem Konzept bezieht.

Einen grundlegenden Wandel im Bildungsbereich fordern die Initiatoren dieser Initiative, zu der der Göttinger Hirnforscher Gerald Hüther gehört. Hüthers Grundannahme, dass jedes Kind lernen wolle und dass es das Potenzial dafür habe, überzeugt Klemm. Wann lerne ein Kind? Wenn es neugierig sei, wenn es den Lernprozess mitgestalten, das Lerntempo selbst wählen könne. Umgesetzt werden könne dies in Lernbüros. Hier lernen die Schüler selbstorganisiert, machen bestimmte Module. Die Einteilung in Klassen gibt es nicht mehr.

Stattdessen gibt es beispielsweise ein Lernbüro Mathematik, in dem die Schüler auf verschiedenen Lernpfaden zu verschiedenen Schulabschlüssen gelangen. Die Lehrer werden zum Lernbegleiter beziehungsweise Coach und erklären bei Problemen die Lerninhalte genauer.

Neben herkömmlichen Fächern gibt es die Fächer „Herausforderung“ und „Verantwortung“, in denen sie mehrwöchige Projekte auch außerhalb der Schule verwirklichen – von der Weitwanderung bis hin zur Mithilfe bei der Weinlese oder in einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb. „Die Welt, in die diese Kinder hineinwachsen, ist so komplex und herausfordernd, dass das Erlebnis, verschiedene Situationen meistern zu können, wichtig für sie ist“, sagt Klemm.

Es gehe darum, Visionäres und Praktikables miteinander zu verbinden, betont der Schulleiter. Skeptikern hält er entgegen: „Ich kann euch zehn Schulen zeigen, wo ihr euch das anschauen könnt.“ Neben der von der Initiative „Schule im Aufbruch“ gern als positives Beispiel gezeigten „Evangelische Schule Berlin Zentrum“ gehört dazu auch das Jenaplan-Gymnasium in Nürnberg.

Noch nicht genehmigt

Im Rahmen eines Modellversuchs möchte Klemm das neue Konzept für die Mittelschule Erlangen, beginnend bei der Eichendorffschule starten. Genehmigt hat das bayerische Kultusministerium diesen Modellversuch allerdings noch nicht. Und Franz Schmoltke, Leiter des Staatlichen Schulamts Erlangen, verweist darauf, dass der neue Lehrplan der Mittelschulen, der in den nächsten Jahren eingeführt werden soll, sicher viele der in Klemms Konzept aufgeführten Ansätze ermöglichen werde.

Auch anderes muss noch geklärt werden. Vom Kultusministerium genehmigt werden müsste – unter anderem – sicherlich das Vorhaben, die Sekundarstufe 1, also den Regelabschluss Mittlere Reife, an der Mittelschule einzuführen.

„Es gibt noch viel zu besprechen“, meint auch Erlangens Bildungsreferent Dieter Rossmeissl. Doch „im Prinzip sehr interessant“ findet der überzeugte Verfechter der Ganztagsschule das Konzept. Klar ist, dass auch auf die Stadt Kosten zukommen würden: beim Mittagessen für dann alle Schüler, bei Fahrtkosten (wenn Schüler wegen des speziellen Konzepts aus weiter entfernten Stadtteilen anreisen). Und als Sachaufwandsträger wäre die Stadt bei der Raumgestaltung der Lernbüros gefragt. „Wir müssten Wände in einzelne Klassenzimmer einziehen, aber nicht die ganze Schule umbauen“, sagt Rossmeissl.

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