Menschen — verloren im Paradies

14.2.2016, 12:00 Uhr
Menschen — verloren im Paradies

© Harald Hofmann

In ihren weltenfernen Landschaften wimmelt es von Menschen. Magdalena Abele findet ihre Motive auf Reisen vorzugsweise an touristisch namhaften Plätzen: in der steinigen Wüste des Monument Valley (USA), einem Flussbad auf Kuba, an den Stränden von Teneriffa und Busan, in den Bergen Teneriffas und des schweizerischen Verzascatals.

Alle diese Landschaften sind korrekt benannt und in charakteristischen Ausschnitten dokumentiert: Die orangefarbene Wüste, der aschgraue Lavastrand der Vulkaninsel, das in zahllosen Varianten changierende Grün der wuchernden Vegetation. Immer gleich bleiben nur die Menschen, die offensichtlich nicht zu den Landschaften gehören, in denen sie merkwürdig ziellos unterwegs sind.

Einheimische sind jedenfalls nicht zu finden. Es muss sich wohl um Touristen handeln, worauf auch die typische europäische Freizeitkleidung schließen lässt. Allerdings lassen sie keine Anzeichen von touristischem Interesse erkennen und gehören auch keiner Gruppe an. Sie laufen einfach vereinzelt kreuz und quer durch die Gegend: „Verloren im Paradies“.

Gleichwohl drängt sich der Eindruck auf, dass dieses Gewimmel durch eine choreografische Ordnung strukturiert wird. Der Grund ist leicht zu erkennen: Auf jedem Bild gibt es Figuren, die mehrfach, bis zu fünf oder sechs Mal auftauchen. Sie legen kompositorische Fixpunkte fest. Mehr noch: sie scheinen sich in Zeitlupe durch das Bild zu bewegen. Auf Magdalena Abeles Fotografien ist die statische Ordnung der Momentaufnahme durch die Illusion eines zeitlichen Ablaufs gesprengt.

Das Bild in seiner vorliegenden Gestalt hat es in der Wirklichkeit des Motivs nie gegeben. Es ist komplett inszeniert aus einer ganzen Reihe von analogen Fotografien, aus denen in digitalisierter Form Motive und Figuren entnommen und in ein neues Original montiert werden.

Damit ist der Anspruch der Fotografie auf objektive Abbildung der Wirklichkeit aufgegeben, und auch der Wettstreit mit der Malerei in Sachen Realismus hat sich erledigt.

Auch die Fotografie bekennt sich zum Prinzip der Manipulation, die das Abbild durch ein Konzept von Landschaft ersetzt.

Magdalena Abele rückt ihre fotografische Arbeit zu Recht in die Nähe der Malerei.

Nicht zuletzt durch eine Farbigkeit, die, dank des hochempfindlichen Filmmaterials der analogen Fotografie, die Atmosphäre der Landschaft einfängt.

Und das ohne Verluste auch in extrem großen Formaten.

Magdalena Abele: „Verloren im Paradies“. Galerie des Kunstvereins, Hauptstraße 71. Bis 27. Februar. Mo., Di., Fr. 15 bis 18 Uhr, Do. 15 bis 19 Uhr, Sa. 11 bis 14 Uhr.

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