Mit dem Handball-Geist aus der Erlanger Eurohalle

23.1.2017, 10:00 Uhr
Mit dem Handball-Geist aus der Erlanger Eurohalle

Es gibt Bilder, da reicht Gerald Rothberger die braune Mähne bis über die Schulter. Dünn war er damals schon nicht, aber, wie sich Helmut Hofmann, sein Trainer von damals, erinnert: zweikampfstark, nervenstark und mit einem unglaublichen Überzieher begnadet.

Doch im rechten Rückraum, da spielt heute beim TV 61 Bruck jemand anderes. Rothberger wird 52 im April, er ist jetzt Abteilungsleiter, denn ganz vom Handball lassen, das kann er nicht. Mehr noch, er leidet mit über 1,90 Meter und mittlerweile kurzgeschorenen, grauen Haaren, spürbar, wenn er an diese schlimme Nacht im November denkt: Von einer auf die andere Sekunde ist seine Mannschaft da ans Tabellenende der Bayernliga gerauscht - 0:14 Punkte anstatt 8:6. „Als dieser Bescheid kam, da ging es uns allen schlecht“, sagt Rothberger und verzieht das Gesicht.

Der Punktabzug ist für ihn mehr als eine sportliche Niederlage. Um das zu verstehen, muss man mit ihm ein Handballspiel seiner Brucker anschauen und ihn dort erzählen lassen, vom Jetzt und Hier, aber auch von 1983 und 1984, als er deutscher A- und B-Jugendmeister wurde, mit der CSG Erlangen. Es war die Zeit der braunen Mähne, seinen Treffer zum 20:14 im Endspiel gegen Rheinhausen kann Trainer Helmut Hofmann noch immer vor sich sehen.

Gerald Rothberger gehört einem besonderen Erlanger Handball-Jahrgang an. Dem besten, den es wahrscheinlich jemals geben wird in dieser Stadt. Er war Linkshänder einer Mannschaft, die später von der Bezirksliga bis in die 2. Bundesliga durchmarschierte. Eine Zeit, über die sich Rothberger heute noch ein wenig definiert. Auch am Rande dieses Bayernliga-Spiels des TV 61 Bruck gegen den HC Sulzbach: „Power-Links, den Kreisläufer-Spielzug von 1982 mit Michael Haufenmair, den spielen wir heute noch“, sagt er etwa. Oder: „Wenn die Jungs die Bilder von damals sehen, dann fragen die mich: Ist das der Ötzi?“

Gerald Rothberger, der mittlerweile eine Versicherungsagentur leitet und als Gitarrist mit Schlagersänger Peter Wackel tourt, sagt nicht „ich“. Er sagt: „der Gerry“. So wie sie ihn damals schon alle genannt haben. „In den 80ern waren wir die Könige der Stadt“, sagt er.

„Die Könige der Stadt“

Aber vor dreißig Jahren, da haben sie ihnen keine Punkte abgezogen, so wie jetzt, weil ein Spielerpass ungültig gewesen sein soll. Luca Wenzel hatte als A- Jugendlicher beim HC Erlangen ein Zweitspielrecht für Bruck. Zu Saisonbeginn ist er komplett zum TV 61 gewechselt, seinen Pass aber, den sollen sie nicht umgeschrieben haben. Alle Spiele, auch eines, das Wenzel für die zweite Mannschaft in der Landesliga bestritt, wurden jetzt gegen Bruck gewertet, das am Samstagabend traurige Sulzbacher nach allen Regeln der Handball-Kunst zerlegt: 35:23 (22:11) steht es am Ende – Bruck ist mindestens eine Klasse besser.

„So wie früher die CSG“, sagt Rothberger und lächelt. „Die Punkte eingerechnet, stehen wir auf Rang fünf“, sagt Ben Ljevar, der Brucker Trainer nach dem Spiel. Auch er stammt aus einer anderen Zeit: Ljevar war Kreisläufer der HG — nach Rothbergers Königsjahren und vor dem Kollaps, der in die Fusion zum HCE führte. „Rang fünf, da gehören wir leistungsmäßig hin“, findet Ljevar.

Doch ohne die Punkte stecken sie im Abstiegskampf. Wie unwirklich das ist, kann man in diesen 60 Minuten gegen Sulzbach sehen, das die erste Viertelstunde mit viel Kampf noch einigermaßen mithalten kann. Dann aber brechen die Gäste ein. Zu schnell, zu flink, zu dynamisch ist diese Brucker Mannschaft, überwiegend ausgebildet in der HCE-Jugend und im Schnitt 23 Jahre jung. „Von denen bekommt keiner einen Cent, die machen das nur so zum Spaß“, verrät Rothberger. So wie früher die CSG. „Da vorn“, sagt er und zeigt ins Publikum, „da stehen die Fans von damals aus der Eurohalle: Jürgen Kohler, Achim Tintschl und wie sie alle heißen. Ist das nicht geil?“

Auch Rothbergers Mutter ist gekommen, 75 Jahre jung und der größte Fan, sagt der Sohn. „Auch ihr gefällt das hier so gut, weil es ein wenig so ist wie damals, als ich noch dabei war.“ Auch wenn sie sich jetzt Brooklyn United nennen, und nicht mehr Christliche Sport-Gemeinschaft.

Die Idee, erklärt Rothberger, findet er super: Brucker und ehemalige HC-Spieler vereint im Handball. „Die, die beim HC in der zweiten oder dritten Mannschaft nicht drankommen, die kommen eben zu uns.“ So reicht es mit ambitioniertem Hobby-Handball, wenn nicht gerade ein Formfehler passiert, für eine gute Rolle in der Bayernliga. Oder, wie Gerald Rothberger sagt: „Ganz so gut wie wir damals, sind sie noch nicht.“

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