Mundart nach Noten beim Poetenfest

31.8.2014, 18:49 Uhr
Mundart nach Noten beim Poetenfest
Mundart nach Noten beim Poetenfest

Wenn nach einer avantgardistischen Brauchtumsveranstaltung - ein Widerspruch, den Helmut Haberkamm und Klaus Treuheit mit ihrer musikalischen Lesung „Hinnerwidder & redur“ locker auflösten – 350 erwachsene Menschen in der Neustädter Kirche stehend Applaus spenden, dann versagt des Rezensenten Feder. Soll er dann etwa schreiben, dass Banales auch durch Mundart nicht geadelt wird? Dass eine Kirchenorgel möglicherweise keine passende Begleitung in einem akustisch problematischen Raum ist, um das Wort zu Wort kommen zu lassen?

Soll er etwas schreiben, dass für eine 30-minütige Miniatur eine Wirtshausbühne angemessener wäre als ein Kirchenschiff beachtlichen Ausmaßes? Oder auch bei Mundart und Kirchenorgel so etwas wie eine Komposition nötig wäre, damit bei der Rede von den wilden Wasserfällen des Sambesi nicht das mächtige Instrument lediglich säuselt, bei leisem Wellenkräuseln auf einem fränkischen Karpfenweiher aber die Orgel losbraust, als ob ein von 1000 Wallern verursachter Tsunami ausbricht?

Nein, das alles wird er nicht schreiben, weil er nicht in Teufels Küche kommen will und 350 Zeitzeugen gegen sich hat, denen es (offenbar) gefallen hat. Er verschweigt auch tunlichst, dass der Orgel göttlicher Ton diabolischen Klängen geopfert wurde.

 

Mit einem fast bedrohlich klingenden sonoren Laut eines Schiffshorns begann das musikalische Begleitprogramm des Poetenfestes. Im Schlossgarten hatten am Rande der Lesebühne Klaus Treuheit am Flügel und Johannes Enders Stellung bezogen. Von dort aus beschallten sie am Samstagmittag das langsam eintrudelnde Publikum mit akustischen Klanghäppchen, die immer wieder aufblitzen ließen, das da auch musikalisches Potenzial dahinter lauert – nur das blieb vorenthalten. Dabei konnte sich jeder Zuhörende davon überzeugen, dass Enders völlig zurecht als europäische Jazzgröße am Tenorsaxofon gilt — sein satter Ton macht Gänsehaut, sein Gespür für geschmackvolle Läufe Appetit auf mehr. Am Abend schließlich wurde dieser Appetit befriedigt – beide erzählten groovende Short-Stories aus dem great american songbook und ließen Lust an Rhythmus und Melodie erkennen. Davon hätte es ruhig mehr sein dürfen.

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