Neubürger in Erlangen - und viele Gründe dafür

21.11.2017, 11:00 Uhr
Neubürger in Erlangen - und viele Gründe dafür

© Harald Sippel

Ob es nun ein pragmatischer Anlass wie die Arbeitsstelle ist, ein schlimmer wie Verfolgung oder der wohl schönste – die große Liebe: Gründe, fernab des Geburtsortes Fuß zu fassen, gibt es zuhauf. Und irgendwann liegt immer auch der nächste Schritt, die Beantragung des neuen Reisepasses, nicht mehr fern.

Denn Deutschland ist laut Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik "international so attraktiv wie nie", was sich auch in der Zahl der bundesweiten Einbürgerungen widerspiegelt. Nach Angaben des statistischen Bundesamts erhielten in den vergangenen zwölf Monaten 110 400 Personen einen deutschen Pass – eine Steigerung von 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Erlangen begrüßt derweil 288 neue Staatsbürger. Die anteilig größte Gruppe stellen dabei Personen türkischer Herkunft, gefolgt von weiteren Ländern mit einschneidenden politischen Veränderungen. Doch nicht immer muss sich die Heimat im Umbruch befinden, um die Nationalität zu wechseln.

"Kleinigkeiten" haben etwa bei Beatriz Arnaiz Martin  zu der Entscheidung beigetragen, wie sie erzählt. Die gebürtige Spanierin lebt seit 1999 bereits in Deutschland.

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Häufig werde sie gefragt, weshalb sie Deutsche werden wollte, da sie doch aus Barcelona stammt und es dort so schön sei: "Ich finde, dass viele vergessen, dass es in Deutschland auch sehr schön ist, und sie die positiven Eigenschaften als Selbstverständlichkeit hinnehmen."

Darunter fallen für sie etwa eine gesetzliche Krankenversicherung, die Tatsache, in Sicherheit zu leben, oder auch einfach nur die allseits bekannte Pünktlichkeit. Dass sie allerdings überhaupt nach Deutschland kam, hatte romantische Gründe: 1996 hatte sie ihren späteren Ehemann, einen Deutschen, während eines Auslandssemesters in Frankreich kennen gelernt. Drei Jahre später folgte sie ihm hierher.

Da sie nun auch an der Bundestagswahl teilnehmen wollte, beschloss sie im Januar 2017, den deutschen Pass zu beantragen: "Das war ein schönes Gefühl, endlich einmal in der Kabine abstimmen zu können und nicht nur per Briefwahl in der Heimat zu wählen."

Die dortigen Entwicklungen beobachtet sie mit Sorge. Am Tag des Referendums zur Unabhängigkeit Kataloniens war sie wegen eines Klassentreffens sogar in Barcelona. Sie selbst ist gegen eine Abspaltung der Region, gibt aber an, froh zu sein, dass sie mit ihrer Familie fernab in Deutschland lebt.

Auch die Reaktionen auf das Brexit-Referendum im Juni 2016 sind in der Hugenottenstadt zu spüren. Wurden 2015 noch lediglich fünf Briten eingebürgert, waren es in diesem Jahr bereits 16 Inseleuropäer, die der EU weiterhin angehören wollten und sich daher um den deutschen Pass bemühten.

Einer von ihnen ist David Graeme Cunningham. Seit 42 Jahren lebt der Sprachdozent bereits in Deutschland, kam 1975 für das Studium nach Wiesbaden, fünf Jahre später in die Region und 2002 direkt nach Erlangen.

Neubürger in Erlangen - und viele Gründe dafür

© Harald Sippel

Auf dem Podium legt er seine Gründe offen, weshalb er Deutscher werden wollte: "Meine Mutter würde sagen, weil ich in Deutschland gezeugt wurde, da mein Vater hier stationiert war." Nicht so für ihn, denn die politischen Entwicklungen in seinem Heimatland waren für ihn ausschlaggebend. Cunningham führt den 23. Juni 2016 als den Tag an, der den letzten Anstoß für ihn gab, eine andere Staatsbürgerschaft als die britische anzunehmen. Jenen Tag, an dem das britische Volk den Austritt aus der Europäischen Union beschlossen hatte. "Normalerweise sollte bei so einer wichtigen Abstimmung eine einfache Mehrheit nicht ausreichen dürfen, da bräuchte es mindestens eine Zwei-Drittel-Mehrheit", ärgert sich Cunningham. Weiterhin ließen ihn daraufhin die "Lügen der Regierung" und die Zunahme politisch motivierter Straftaten erkennen, dass "das nicht mehr das Land ist, in dem ich aufgewachsen bin."

Daher lag es für ihn nahe, die Unterlagen für die Einbürgerung zu sammeln. Im März dieses Jahres war es soweit, seitdem hält er seinen deutschen Reisepass in den Händen. Auf Nachfrage erklärt er, dass er sich gefreut hat, endlich wählen zu dürfen. Bei mehreren Entscheiden habe er in der Vergangenheit des Öfteren nicht mitwirken können, obwohl er direkt betroffen gewesen wäre: "Zum ersten Mal habe ich mich richtig geärgert, als über die Einführung des achtjährigen Gymnasiums abgestimmt wurde", blickt Cunningham zurück. Im Sinne seiner Kinder hätte er sein Kreuz machen wollen, durfte genau das allerdings nicht, da er für eine Abstimmung auf Landesebene Deutscher hätte sein müssen.

Das ist er nun. Naja, teils. Schließlich steht im nächsten Jahr wieder die Fußball-Weltmeisterschaft an: "Da wird mein Herz dann schon noch mehr für England schlagen", verrät Cunningham. "Aber wahrscheinlich verlieren wir dann wieder gegen Deutschland im Elfmeterschießen."

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