Nur etwas für knallharte Jungs: Ringen in Erlangen

3.10.2017, 16:00 Uhr
Nur etwas für knallharte Jungs: Ringen in Erlangen

© Foto: Harald Sippel

Geh zum Ringen - haben sie gesagt. Das wird sicher lustig – haben sie gesagt. Jetzt sitze ich hier. In der Jahnhalle von Erlangen. Abgeschnitten von der Außenwelt durch die vielen Baustellen. Auch ich komme mir wie abgeschnitten vor. Das ist eine vollkommen andere Welt hier. Vor mir liegt eine große blaue Matte, mit einem großen und einem kleineren orangenen Kreis, vier Reihen mit jeweils 15 Klappstühlen aus Holz stehen drum herum. Ich sitze an der Seite, aus den Boxen dröhnt "Smells Like Teenspirit" von Nirvana – ich komme mir vor, wie ein kleines verlorenes Vögelchen, das aus seinem Nest gefallen ist.

Für die Männer geht es zum Wiegen. Johannes Hölzel kommt auf mich zu und setzt sich neben mich. Ich erzähle ihm, dass ich noch nie beim Ringen war und er lacht. "Eigentlich ist es ganz einfach" sagt er. "Wir kämpfen in verschiedenen Gewichtsklassen, von 57 bis 130 Kilogramm, wenn du nur 0,1 Gramm über deinem Gewicht bist, darfst du nicht antreten" – schade, dann kommt eine Karriere bei den Männern für mich wohl nicht in Frage.

Und was hat es denn jetzt mit der Matte auf sich? "Der kleine Kreis ist der Ausgangspunkt, da wird gestartet, und dann musst du aufpassen, dass du nicht über den großen Kreis hinaus kommst", sagt Hölzel. "Außerdem musst du Punkte sammeln, indem du verschiedene Griffe anwendest, oder du bringst den Gegner für ein paar Sekunden mit beiden Schultern auf den Boden. Dafür hast du zweimal drei Minuten Zeit." Klingt einfach, denke ich mir, werde aber schon bald eines besseren belehrt.

Johannes Hölzel hat vor 27 Jahren mit dem Ringen angefangen, da war er fünf Jahre alt. "Die Grundschule war eine harte Zeit, da musst du lernen, dich zu verteidigen" erklärt er mir. Irgendwas mit Selbstverteidigung wollte er halt schon immer machen, jetzt ist er Abteilungsleiter und steigt auch noch selbst in den Ring. Doch wer sind diese Männer, die diesen starken Kontakt-Sport so gerne ausführen? Da ist wirklich alles dabei, vom normalen Jugendlichen, der einen sportlichen Ausgleich sucht, über junge Männer etwa 80 Kilogramm schwer mit Bart und tätowierten Armen, bis hin zum verheirateten Johannes Hölzel, der in der Kategorie im Schwergewicht antritt.

Auch Flüchtlinge hat der Verein aufgenommen. "Droht die Abschiebung, nimmt der Verein natürlich alles auf sich, dass der junge Mann bleiben darf. Für die Anhörung schreiben wir extra Bescheinigungen, dass er sich gut integriert hat. Aber manchmal hilft alles nichts" sagt Hölzel und schaut bedrückt nach unten. Ein Schicksal, das mehrere Vereine teilen.

In der Jahnhalle geht das Licht aus, nur die Matte ist noch beleuchtet, die Ringer werden in ihren Gewichtsklassen vorgestellt, dann schaue ich gespannt meinem allerersten Ringkampf zu. Es sieht ein bisschen so aus, als würden zwei junge Männer völlig betrunken versuchen, dem anderen zu helfen nicht umzufallen. Es erinnert mich auch ein wenig an die Zeit, als ich als kleines Mädchen versucht habe, meinem Bruder sein Spielzeug wegzunehmen.

Doch das Ganze hat Taktik und Strategie – so hat es mir Johannes Hölzel am Anfang erklärt, und von Kampf zu Kampf merke ich, wie viel Strategie und Köpfchen tatsächlich dahinter steckt. Zu Beginn geht alles sehr schnell, die ersten zwei Kämpfe sind bereits vorbei. Jetzt ist Hölzel dran. Er schlägt sich gut – doch nach den ersten drei Minuten liegt er bereits mit einem Punkt hinten. 30 Sekunden Pause, dann geht es für Hölzel in die zweite Runde. Er verlässt den Ring mit einem 1:3. Den Teamgeist verlieren die Erlanger trotzdem nicht, sie kämpfen weiter, auch wenn sie am Ende der Tabelle stehen. Das spiegelt sich auch in der Augen der jungen Männer und den Punkten in den weiteren Kämpfen wider.

Dann erfahre ich, wieso die größte Verletzungsgefahr die Schultern, Knie und Ohren sind. Ebrahim Salmeh vom gegnerischen ATSV Kelheim windet sich am Boden, sein Knie schmerzt, er muss aufgeben. Der Kampf kann nicht fortgeführt werden, der Punkt geht an Erlangen. Man sieht, das ist nur etwas für harte Kerle. Wer hier im Ring bestehen will, muss die Zähne zusammenbeißen. Wer den richtigen Biss besitzt, geht dann sogar nach Nürnberg um international durchzustarten. Oder trainiert irgendwann die Männer vom TV Erlangen, so wie Johannes Hölzel.

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