Poetenfest-Leiter Bodo Birk "Sind ernsthafter als andere"

1.9.2014, 19:04 Uhr
Poetenfest-Leiter Bodo Birk

© Harald Sippel

Der Sonnenschein am Samstag hat die Massen angelockt. Man hatte den Eindruck, das Poetenfest wird überrannt. Hat dieser Ansturm die Kapazitäten des Festivals gesprengt?

Bodo Birk: Ja, der Samstag war wirklich ein toller Poetenfest-Tag. Und nein, es bestand trotzdem zum Glück nie die Gefahr, dass der großartige Besucherzuspruch die Kapazitäten des Schlossgartens gesprengt hätte. Wir haben in den letzten Jahren noch einmal an der Qualität der Tonübertragungen gearbeitet, die Anzahl der Helferinnen und Helfer erhöht und uns über viele kleine Details im Schlossgarten Gedanken gemacht, sodass wirklich ein paar Tausend Menschen kommen können, ohne dass die Konzentration auf die Lesungen leiden muss. Für uns ist das wirklich das Allerwichtigste, dass man die vielen Besucher als angenehm und nicht als Masse empfindet und dass der entspannte Charakter des Poetenfests erhalten bleibt.

Geht es den Besuchern noch um Inhalte oder ist das Poetenfest ein „Event“, dessen Erfolg eher vom Wetter als von Autoren-Namen abhängt?

Birk: Natürlich ist das eine wichtige Frage. Mit der Eventisierung der Kultur setzen wir uns im Team auch immer wieder kritisch auseinander. Aber ich glaube, dass das Poetenfest in dieser Hinsicht wirklich nicht besonders gefährdet ist. Es ist ernsthafter und absichtlich altmodischer als die meisten anderen Literaturfestivals. Und wir sind dankbar dafür, ein Publikum zu haben, dass sich nicht nur für die ganz großen Namen des Literaturbetriebs interessiert. Es wäre unseren Besuchern gegenüber ungerecht, zu unterstellen, dass dies nur am Park oder am Wetter läge. Der verregnete Sonntag hat ja auch das Gegenteil bewiesen: Den ganzen Nachmittag über waren zwischen vierhundert und fünfhundert Besucher im Redoutensaal, während gut besuchte Veranstaltungen parallel dazu im Markgrafentheater, in der Orangerie und im Palais Stutterheim stattfanden. Das sind Kapazitäten, die kein Literaturhaus in Deutschland aufweisen kann. Dass man sich, wenn man es sich aussuchen kann, lieber einen Tag lang bei schönem Wetter im Park mit Literatur beschäftigt, als bei strömenden Regen zwischen den Veranstaltungsorten hin- und herzurennen, kann man doch niemandem zur Last legen!

Hunderte junger Menschen beim Poetry-Slam, graue Haare in den Publikumsreihen bei den Autoren-Porträts im Markgrafentheater — gibt es eigentlich überhaupt kein literarisches Angebot, das alt und jung gleichermaßen erreichen kann?

Birk: Das Erlanger Poetenfest ist immerhin – auch durch Kooperationen mit Partnern wie dem Poetry- Slam Erlangen – ein Festival, das fast alle Altersgruppen erreicht. Dass jede einzelne Veranstaltung für alle Besucher gleichermaßen interessant sein soll, ist aber ein sehr ambitioniertes Ziel. Die „Revue der Neuerscheinungen“, also die Nachmittags-Lesungen im Park, schaffen das teilweise, wenn ich zum Beispiel in diesem Jahr an die Lesungen von Peter Wawerzinek oder Karen Köhler denke. Das Erlanger Poetenfest hat ein gemischteres Publikum als die meisten anderen Literaturveranstaltungen, die ich kenne. Trotzdem, es bleibt eine dauerhafte Aufgabe, daran zu arbeiten, neue Zielgruppen zu erschließen. Die Besucherinnen und Besucher, die wir zur Zeit erreichen, finden wir aber auch ziemlich toll!

Würde das Poetenfest auch in einer Welt, in der das gedruckte Wort zu Gunsten der E-Books und andere Verbreitungsformen abgeschafft wurde, funktionieren?

Birk: Eine ganz schön abstrakte Frage. Bei allem, was wir in den letzten Jahren – auch beim Poetenfest – über die Digitalisierung der Literatur erfahren konnten, steht die Abschaffung des gedruckten Buchs nach wie vor nicht bevor. Aber die Idee, sich mit Form und Inhalt literarischer Texte zu befassen, den eigenen Horizont zu erweitern, Freude am Gedankenaustausch zu haben, ist nicht von Publikationstechniken abhängig. Auch wenn ich mir noch nicht so recht vorstellen kann, dass wir im Park statt eines Büchertischs eines Tages einen HotSpot zum Download der Bücher einrichten. Auch wie das dann mit dem Signieren klappen könnte, ist mir noch unklar . . . Die Arbeitsgemeinschaft Kultur im Großraum wird sich übrigens in ihrem nächsten Großraumprojekt 2015 mit Veränderungen des kulturellen Lebens durch die Digitalisierung beschäftigen.

Herr Birk, was ist in der Rückschau Ihr ganz persönlicher Höhepunkt des Poetenfests?

Birk: Ich muss zugeben, dass ich während des Poetenfests kaum Gelegenheit habe, den Veranstaltungen selbst zu folgen. Aber der Samstagnachmittag im Park war schon großartig. Nicht nur wegen der vielen Besucher und des schönen Wetters, sondern weil ich den Eindruck hatte, dass die Dramaturgie des Nachmittags sehr gut aufging. Aber ich muss noch etwas zugeben: Die Anspannung während des Festivals ist bei uns im Team so groß, dass es auch ein besonderer Moment ist, wenn sich Verena Auffermann zum Abschluss des letzten Autorenporträts bis zum nächsten Jahr verabschiedet. Dann sind wir einerseits zwar ein wenig traurig, aber auch sehr erleichtert!

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