Praktika spielen wichtige Rolle für Berufseinstieg

13.4.2018, 06:00 Uhr
Praktika spielen wichtige Rolle für Berufseinstieg

© Ralf Rödel

Von seinem Praktikum in der Altenpflege ist Marco Kaiser heute noch begeistert. "Ich durfte so gut wie alles mitmachen", sagt er. "Die Pflege, die Betreuung, die Morgenroutine – mir wurde alles gezeigt. Das erwarte ich mir von einem Praktikum." Das Berufsziel ist für Marco Kaiser, der im Moment die zehnte Klasse – den sogenannten M-Zug – an der Hedenus-Mittelschule besucht, seitdem klar. Nach seinem Schulabschluss will er eine Ausbildung zum Krankenpfleger machen. Auf die Idee hatte ihn ein Beratungsgespräch in der Agentur für Arbeit gebracht. "Das Praktikum sollte zeigen, ob’s das Richtige ist", sagt der Schüler. "Ob ich mit Menschen kann."

Dass Praktika nicht immer so gewinn- und erkenntnisbringend ablaufen, diese Erfahrung hat Marco Kaiser ebenfalls gemacht. Bei einem anderen Arbeitgeber, in einem anderen Berufszweig. Vor allem mit Kaffeekochen sei er beschäftigt worden, erzählt der junge Mann. Das Klischee von sinnentleerten Praktika — es kommt nicht von ungefähr.

In den Blickpunkt rückt das Thema "Berufspraktika" in Erlangen nun eine Initiativgruppe Berufsorientierung, in der Vertreter von Schulen, der Wirtschaft, der Kommune, von Beratungseinrichtungen und der Arbeitsagentur zusammenarbeiten. Denn Praktika spielen eine wichtige, offenbar manchmal unterschätzte Rolle bei der späteren Suche nach einem Ausbildungsplatz. "Für die Berufsergreifung ist das Praktikum für mich das Wichtigste gewesen": Das war die übereinstimmende Antwort bei Befragungen in Abschlussklassen der Mittelschulen, die das Übergangsmanagement der Stadt Erlangen 2015 und 2016 durchführte.

Davon ausgehend hat sich die Initiativgruppe ein Ziel gesetzt: Berufspraktika zu optimieren. Für beide Seiten — die Schüler ebenso wie die Betriebe. Begonnen wurde im Februar mit Workshops, bei denen Schüler — darunter Marco Kaiser — , Eltern, Lehrer und Betriebe zusammenkamen, um sich auszutauschen und Standards zu erarbeiten. Bis zum Anfang des nächsten Schuljahres sollen eine Homepage und ein Label "Qualifiziertes Praktikum" entstehen mit Richtlinien. "Die teilnehmenden Betriebe und die Schulen verpflichten sich, dass sie sich daran halten", erklärt Doris Aschmann, Mitarbeiterin der Stadt, die das Projekt koordiniert.

Wie groß das Interesse an einer Verbesserung der gegenwärtigen Situation ist, lässt sich an der regen Beteiligung an den Workshops ablesen. Neben den Schulen waren auch über 30 Betriebe dabei, kleine Handwerksbetrieb ebenso wie große Firmen wie Siemens. Nicht verwunderlich vielleicht, wenn man sich die jüngst veröffentlichte Meldung zum Entwurf für den Berufsausbildungsbericht 2018 des Bildungsministeriums vor Augen ruft. Mehr als jeder vierte Auszubildende bricht seine Lehre vorzeitig ab, hieß es da.

Aber selbst wenn, wie ein Bericht dieser Zeitung zeigte, die Lage in Mittelfranken besser ist als bundesweit, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass im vergangenen Jahr auch in der Region jeder elfte Ausbildungsvertrag bei den IHK-Berufen und fast jedes sechste Ausbildungsverhältnis bei den Handwerksberufen vorzeitig aufgelöst wurde. Betroffen seien insbesondere Branchen, wo schwierige Arbeitszeiten auf niedrige Ausbildungsvergütungen treffen, heißt es von Gewerkschaftsseite. Eine Rolle spielt aus Sicht der Handwerkskammer aber auch, dass sich manchmal herausstellt, dass die erste Berufswahl nicht gepasst hat.

Neben Marco Kaiser waren aus der Hedenusschule auch Emily Oldenburg und Steven Burkhardt, beide ebenfalls Zehntklässler und Mitglieder der Schülermitverwaltung, bei den Workshops dabei. Ihr Blick aufs Arbeitsleben ist, so zeigt sich im Gespräch mit den EN, von jugendlichem Idealismus geprägt, aber durchaus realistisch. Alle drei haben unterschiedliche Erfahrungen mit Praktika gemacht und wissen inzwischen, welchen Beruf sie anstreben — und dass Praktika eine wichtige Rolle spielen.

So wünschen sich Schüler zum Beispiel eine Bezugsperson bei ihrem Praktikum in den Betrieben. Das aber gibt es bisher selten. Und auch die Schüler sollen in die Pflicht genommen werden, etwa indem sie sich einige Wochen vorher bewerben.

"Das A und O ist, dass die Schüler vielfältige Einblicke gewinnen und somit die Chance haben, herauszufinden, ob der angestrebte Beruf überhaupt das Richtige für sie ist", sagt Jutta Dirr, Konrektorin der Hedenusschule. Und Lehrer Max Richter meint: "Mit gut organisierten Praktika haben die Betriebe sehr gute Chancen, Schüler für einen Beruf zu begeistern."

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