Reise ins endlose Blau: Dillon kommt nach Erlangen

19.4.2014, 06:00 Uhr
Reise ins endlose Blau: Dillon kommt nach Erlangen

© Siggi Eggertsson/PR

Weniger als Album müsse man sich diese Ansammlung nun vorstellen, mehr als Hör- und Malbuch, so die Künstlerin vorab. Dabei haben Dillons Songs weiterhin viel mit Pop, Jazz und dem Klavier zu schaffen, arbeiten im Spannungsfeld zwischen Elektronik und den organischen Elementen. Das digitale Schnurren von „The Unknown“ durchbricht oft eine Melodie. Dillons Stimme hält das alles zusammen, haucht ihm überhaupt erst Leben ein. „Sudden eruptions set us free, change of direction carelessly“, singt Dillon in „Lightning Sparked“. Die spontanen Ausbrüche bedeuten hier Freiheit, was bei der 25-Jährigen überhaupt ein wichtiger Anspruch ist.

Denn „The Unknown“ hält sich an seinen Titel. Dillon hat ihre Geschichten so weit chiffriert, gewandelt und gedreht, dass wenig konkrete Momente in den Texten bleiben. Sie bietet keine Orte, keine Gesichter, keine Zeiten, keine Anhaltspunkte, sondern nur Punkte, die der Hörer selbst verbinden muss, um sich dieses Album zu erschließen. Während die Töne von „A Matter Of Time“ wie Regentropfen an der Fensterscheibe aufschlagen und in Richtung Boden sinken, singt Dillon mit dunklen Worten davon, wie ein Verstand verloren geht. „Ich bin nur eine Frage der Zeit“, lautet eine Zeile übersetzt. Denn bei allem Spielraum rührt Dillon doch an das Essentielle mit ihrer Musik. Das zieht einen auch gerne mal in den Sog dieses Albums völlig rein, bevor sich erst nach Minuten an der Oberfläche wieder eine Lücke aus Stille auftut zum Luftholen.

Geboren wurde Dillon 1988 im brasilianischen São Paulo, mit fünf Jahren zog sie dann nach Köln, wo sie aufwuchs. Am Klavier der Eltern nimmt sie mit 17 Jahren erste Stücke auf, veröffentlicht sie im Internet. Ein Jahr später geht es nach Berlin und der Lauf des modernen Musikerdaseins beginnt. Auftritte beim „Melt!“-Festival sowie im Vorprogramm der Hamburger Band „Tocotronic“ sorgen für Aufmerksamkeit, das Debüt „This Silence Kills“ bekommt Lob aus der Musikpresse und dem Feuilleton. Entweder trotz oder wegen Dillons Stimme. Die erinnert phasenweise stark an das Organ von Joanna Newsom, die damit und ihrer Harfe mal eben den Folk erneuert hatte.

Doch bei Dillon geht es nicht um das Spiel mit einem Genre, sie hat schon jetzt eine ziemlich deutliche Sprache in Text und Ton gefunden, um sich auszudrücken. Mit „The Unknown“ hat sie das vielleicht sogar noch besser hinbekommen als bei ihrem Debüt, wo die Songs vorab abseits von der Idee eines Albums entstanden. Jeder Anschlag des Klaviers, jedes Anheben von Dillons Stimme führt tatsächlich ins Unterbewusste.

Ein feines Stück Musik, das von seinem Minimalismus, seiner Atmosphäre und den leisen Tönen lebt. Eine Reise in die Tiefen des endlosen Blau. Das Meer. Dillon zeichnet es vor. Der Hörer füllt es aus. Ton um Ton, Welle um Welle. Die pure Schönheit und Zerbrechlichkeit des Seins. Mehr braucht es nicht.

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