Reise zum Ort der Illusionen in Erlangen

11.12.2018, 06:00 Uhr
Reise zum Ort der Illusionen in Erlangen

© Foto: Harald Sippel

Theater lebt von Illusionen. Von Täuschungen, von der Aktivierung von Träumen. Eine Windmaschine war vor langer Zeit nicht da, um den Schauspielern eine steife Brise um die Nase wehen zu lassen, sondern um durch Geräusche beim Publikum das Gefühl von Natur-Elementen zu erzeugen. In der Ausstellung "Was für ein Theater!" im Stadtmuseum am Martin-Luther-Platz ist solch ein historischer Illusions-Erzeuger zu sehen. "Wir hatten beim Theater nachgefragt, ob es noch was richtig Altes gibt. Da hieß es: Wir haben noch Sachen aus den 90ern. Aber dann haben wir diese Wind-Maschine entdeckt. 1911 ist sie zum ersten Mal im Inventar aufgeführt", erzählt Museums-Mitarbeiter André Widmann.

Apropos Inventar-Listen: Bereits in den Anfangsjahren sind zwei Elefanten und ein Tiger verzeichnet. Die beiden Dickhäuter zeigt auch der Kupferstich von Johann Baptist Homann aus dem Randbild des Schlossgartenplans von 1721.

Aus was die Tiere hergestellt waren, ist nicht bekannt, auch das Bild verrät nicht das Geheimnis. "Es ist die älteste Darstellung des Innenraums, des Bühnenbilds samt Zuschauern und allem Pipapo. Sieben hintereinander perspektivisch gestaffelte Kulissen, paarweise auf jeder Seite. Es gibt einen schrägen Bühnenboden. So wird eine Zentralperspektive mit Hilfe des Bühnenbilds kreiert", schwärmt Kurator Werner Heunoske und ergänzt: "Zu sehen ist der triumphale Auftritt der Protagonisten. Im Zentrum dieser Perspektive säße dann in der Loge gegenüber der Markgraf und würde als Herr dieser Perspektive auf das Geschehen blicken."

Der Bayreuther Markgraf Georg Wilhelm eröffnete am 10. Januar 1719 das "Hochfürstliche Opern- und Comoedienhaus". 1743/44 ließ die Markgräfin Wilhelmine den Theaterraum durch den venezianischen Theaterarchitekten Giovanni Paolo Gaspari im Rokoko-Stil umgestalten.

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© Repro: Stadtmuseum

Zunächst dem Adel vorbehalten, öffnete Sophie Caroline, die seit 1764 als Witwe hier Hof hielt, das Theater für das bürgerliche Publikum. Aus dieser Zeit sind Theaterzettel in der Ausstellung zu sehen. Man bekommt eine Ahnung, wie Werbung im 18. Jahrhundert funktioniert hat.

Zwischenzeitlich wurde die Universität Eigentümer des Markgrafentheaters, 1838 erfolgt der Verkauf an die Stadt. Für den Theaterbetrieb war ab 1876 der "Gemeinnützige Verein Erlangen" (GVE), ein neuer Bürgerverein zur "Hebung der Kultur", zuständig. Als das Theater 1956 wegen Baufälligkeit schließen musste, setzte der GVE den Erhalt durch. Die bis 1959 vollzogene Sanierung war ein Kraftakt – einzig der Zuschauerraum blieb als Herzstück erhalten.

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© Harald Sippel

Von 1949 bis 1968 sorgten die "Internationalen Theaterwochen der Studentenbühnen" für Furore — und lockten namhafte Dramatiker, Kritiker und Regisseure (u. a. Jean Cocteau, Hans Magnus Enzensberger, Günter Grass, Joachim Kaiser, Claus Peymann) nach Erlangen. Ab 1974 gab das "Theater in der Garage" unter "Spielleiter" Manfred Neu dem Kinder- und Jugendtheater sowie der freien Theaterszene eine Heimat. Erst Intendant Andreas Hänsel formte ab 1989 das "Theater Erlangen", indem er die Programmhoheit für das eigene Ensemble und die Gastspiele gegenüber dem GVE durchsetzte.

Die Ausstellung "Was für ein Theater!" erweckt diese spanndende und bewegte Geschichte mit vielen Fotografien, historischen Bildern, Hörstationen, Kostümen, Plakaten und Gästebüchern bis 3. März zum Leben.

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