Schule und Zombies

10.11.2010, 22:58 Uhr
Schule und Zombies

© Bernd Böhner

Der große Saal des E-Werks ist bis auf den letzten Platz besetzt. Die Lichter gehen aus, die Musik bekommt einen geheimnisvollen Beiklang, die Spannung wird geradezu physisch spürbar. Diese Stimmung, die normalerweise auf einen unterhaltsamen Abend vorausweist, verspricht diesmal einen spannenden Vormittag. Es ist 10.15 Uhr. Es handelt sich um eine Schulveranstaltung.

Acht Schülerinnen und zwei Schüler von fünf Erlanger Gymnasien werden auf der Bühne stehen und ihre Texte vortragen. Jan Siegert, seinerseits erfahrener Slam-Poet und Veranstalter der sonntäglichen Poetry-Slams im E-Werk, hatte im Vorfeld an den Schulen Workshops angeboten, um die Schülerinnen und Schüler in die Welt des Poetry-Slams einzuführen und mit ihnen diese etwas andere Art der Textproduktion und des Vortragens zu üben.

Zwei Wettkampfrunden

Jan Siegert erklärt zunächst die Spielregeln des heutigen Poetry-Slams: Zehn Schüler mit eigenen Texten, zwei Wettkampfrunden, das Los entscheidet über die Reihenfolge, vor- und nachher Einlagen professioneller Slampoeten, am Ende Ermittlung der Sieger bzw. Siegerinnen durch das Beifallbarometer.

Große Klasse

Was sich während zwei Stunden in den zwei Runden auf der Bühne ereignet, ist wahrlich große Klasse. Da stehen keine schüchternen Schüler, die betreten auf ihr Blatt starren, sondern junge literarische Talente, die alles geben. Auch in ihren Texten geht es um alles. Um Schule freilich, um Zombies, um die Angst vor der Zukunft und ums Rauchen. Da werden Liebeserklärungen geflüstert und Wikipedia-Artikel zitiert. Hört man den Schülern und Schülerinnen genau zu, könnte man meinen, Goethes Geist schwebe über dem Schüler-VZ.

Wunderschöne Sätze sind zu hören: „Man sagt, ich bin jetzt ein Seemann“ – so beginnt Thea von Rüden, und bei Katalin Hetzel heißt es: „Bevor wir anfangen zu marschieren, wollen wir noch einmal barfuss durchs Gras laufen“. Besonders beeindruckend ist der Auftritt von Anna Kienreich, die anhand der einfachen Frage „Entschuldigen Sie, wo geht’s denn hier zum E-Werk?“ verblüffend authentisch verschiedene Arten des Sprechens und damit verschiedene Rollenmuster durchspielt – von der verlegen hervorgebrachten Entschuldigung eines mit seiner Hilflosigkeit kokettierenden Mädchens bis hin zur resoluten Powerfrau.

Der lauteste Applaus aber gilt Marianne Kunkel (18) vom Christian-Ernst-Gymnasium und Svenja Kehlenbeck (19) vom Emmy-Noether-Gymnasium. Marianne bringt mit ihrer skurrilen Geschichte über einen Blumentopf, dessen Beziehung zur Topfpflanze gescheitert ist und einen wütenden Roboter, der zum Lieben programmiert ist, aber kein Herz hat, das Publikum zum Lachen. Svenja begeistert mit ihrer witzigen Idee, aus den Namen der in sozialen Netzwerken so beliebten Gruppen einen zusammenhängenden Text zu bauen, der zu einer Art Selbstbeschreibung der 2.0-Generation wird.