Schwarzbau sorgt für Gebührenfreiheit

10.7.2013, 19:52 Uhr

Wenn in Kürze in Sieglitzhof „Erlangens schlechteste Straße“, wie Tiefbauamtsleiter Rudolf Sperber die Straße Schronfeld einmal nannte, ausgebaut wird, dürfte dies nicht nur Jubel auslösen. Zwar werden sich Radfahrer darüber freuen, auf diesem Abschnitt der Radachse voraussichtlich ab November nicht mehr durch Schlaglöcher holpern zu müssen. Doch dem ein oder anderen Anwohner, die sich größtenteils an den Kosten für die „erstmalige Herstellung“ der Straße zwischen Schleifmühlstraße und Kurzer Zeile beteiligen sollen, stößt das Projekt sauer auf — aus mehreren Gründen

Während manch einer fürchtet, der geplanten Fahrbahnbefestigung könnten Bäume oder Kfz-Stellplätze zum Opfer fallen, klagen andere über Merkwürdigkeiten im Beteiligungsverfahren der Anwohner. Wieder andere zweifeln an der generellen Sinnhaftigkeit des Vorhabens: Die derzeitige Beleuchtung und Straßenentwässerung, so meinen sie, reichen doch völlig aus.

„Kein Ermessensspielraum“

Die Verwaltung, die auch mit Blick auf die Verkehrssicherheit zumindest auf einem gewissen Ausbau-Standard beharrt, sieht das ein wenig anders. In ihrer Haltung bestätigt sehen sich die Mitarbeiter des zuständigen Tiefbauamts nicht zuletzt durch Beschlüsse der Stadtratsgremien (die EN berichteten), einen rechtskräftigen Bebauungsplan und städtische Satzungen, die — so die Lesart der Behörde — „keinen Ermessensspielraum“ lassen.

Beispiel Erschließungsbeitragssatzung: Diese legt fest, welchen Teil der Straßenausbau-Kosten die Kommune, welchen die Anlieger bezahlen müssen. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass die Stadt (nach Abzug des Gemeindeanteils) Vorausleistungen in Höhe von 85 Prozent des voraussichtlich zu erwartenden beitragsfähigen Erschließungsaufwandes erheben muss. Für die Schronfeld-Anlieger, die im westlichen Abschnitt zwischen Schleifmühlstraße und Kurze Zeile wohnen, heißt das, dass sie als Anwohner gut 60000 Euro für den Straßenausbau schultern sollen.

Post von der Stadt

Unlängst erhielten die betroffenen Bürger Post von der Stadt, darunter auch ein Neu-Erlanger. In dem Schreiben erfuhr er, dass der Kostenanteil seines Grundstücks fast 10000 Euro betragen soll. Glück für ihn: Da sein Großvater, der ihm das Grundstück vererbt hat, bereits Mitte der 1960er Jahre für die Vorerschließung bezahlt hatte, soll der heutige Anwohner im Herbst nur noch knapp 7000 Euro überweisen.

Andere haben es weniger gut getroffen. Sie sollen — weil in der Vergangenheit noch nichts für die Erschließung bezahlt worden war — tiefer in die Tasche greifen und in manchen Fällen sogar mehr als 13000 Euro berappen.

Rechtliche Schritte erwogen

Kollektives Kopfschütteln und den Wunsch, das Ganze rechtlich überprüfen zu lassen, ruft im Viertel jedoch ein ganz anderer Fall hervor. Ein Anlieger, der südlich der auszubauenden Straße wohnt, muss für den Straßenausbau nichts bezahlen — und das, obwohl noch keinerlei Erschließungsgebühren an die Stadt geflossen sind. Wie kann das sein?

Um diese Frage beantworten zu können, muss man bis in die 1970er Jahre zurückgehen. Damals kritisierte das Erlanger Tagblatt in seiner Ausgabe vom 22. Dezember 1978, dass „die Spitzhacken-Aktion eines Bauherrn ohne Folgen“ bleiben wird. Besagter Bauherr — „ein Siemens-Prokurist“, wie es im damaligen Artikel heißt, der heute dem Vernehmen nach als Wirtschaftsethiker tätig ist — ließ das vorher an dieser Stelle beheimatete Militärbad komplett abtragen und stattdessen eine Villa errichten. Zuvor war gegenüber Verwaltung und Stadtratsgremium offenbar lediglich von einem Umbau die Rede gewesen.

„Wir haben für das fragliche Gebäude keine Genehmigungen gefunden“, erläutert fast 35 Jahre später Erlangens Planungsreferent Josef Weber. „Es handelt sich demnach um einen Schwarzbau.“ Eine nachträgliche Legalisierung schließt der berufsmäßige Stadtrat aus, da sich das Haus im Landschaftsschutzgebiet befindet und daher dort kein Baurecht besteht.

Dieser Umstand sorgt nun dafür, dass die Stadt von diesem Schronfeld-Anlieger keine Gebühren für den anstehenden Straßenausbau erheben kann. Denn, so will es die fragliche Satzung: „Nicht erschlossen sind die südlich an die Straße angrenzenden Grundstücke, für die nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes kein Baurecht besteht.“ Und: „Dies gilt auch für den Fall, dass ein Grundstück tatsächlich bebaut ist.“

Weber äußert zwar Verständnis für all jene Anwohner, die unter Gebührengerechtigkeit möglicherweise etwas anderes verstehen. „Mir geht es ähnlich.“ Trotzdem sieht er keine Möglichkeit, den fraglichen Anlieger beim Straßenausbau zur Kasse zu bitten. Allerdings will die Stadt die Einleitung eines Bußgeldverfahrens prüfen — wegen des Schwarzbaus.

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