Sekte in Lonnerstadt: Landrat will Ruhe einkehren lassen

9.11.2012, 13:30 Uhr
Sekte in Lonnerstadt: Landrat will Ruhe einkehren lassen

© Michael Müller

Das in der Sendung scharf kritisierte Jugendamt, das sich im Film selbst nicht geäußert hatte, hat mittlerweile ausführlich dargelegt, warum es die betreffenden drei Kinder eben nicht aus ihrer Familie reißt. Nun sprach auch der Jugendhilfeausschuss über das Thema.

Landrat Eberhard Irlinger war in den vergangenen Wochen ein gefragter Mann. Immer wieder stellte er sich vor seine Behörde, erklärte, warum die Mitarbeiter des Amtes für Kinder, Jugend und Familie so handeln, wie sie handeln. Auch vor den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses erklärte er viel, einer seiner wichtigsten Appelle war dabei wohl dieser: „Man sollte diese Leute jetzt in Ruhe lassen.“ Diese Leute, damit meinte er das Ehepaar, das sich der Weltdiener-Sekte angeschlossen hat, und vor allem dessen drei Kinder.

Diese, so vermittelte der Film, seien in Gefahr. Sie würden behandelt wie Erwachsene, dürften nicht spielen, würden unzureichend ernährt, dürften keine Freunde haben. Und vor allem: Das Jugendamt würde sich nicht kümmern.

Die Behörde verwies daraufhin schnell auf regelmäßige Kontakte zu der Familie. „Und in Ruhe lassen“, wie der Landrat sagte, solle die Familie freilich auch nur die Öffentlichkeit. Das Jugendamt werde natürlich weiter in Lonnerstadt nach dem Rechten sehen, das versicherten in der Ausschusssitzung alle Beteiligten.

Man kümmere sich mit gutem Grund seit 2004 um die Familie, sagte die Leiterin des Jugendamtes, Heike Krahmer. Man habe dabei die volle Unterstützung der Eltern. „Schwierig“ finde sie es jedoch, dass die Kinder von ihren Eltern durch den Film derart in die Öffentlichkeit „gezerrt“ worden seien.

Immer wieder wurde in der Sitzung die Macherin des Films kritisiert — Retta Müller-Schimmel (Grüne) etwa sprach von „Tricksereien“. Auch Krahmer übte Kritik: „Der Bericht wurde so konstruiert, obwohl sie wusste, dass wir seit Jahren an der Familie dran sind.“

Im Film selbst wollte das Jugendamt keine Stellungnahme zu dem Fall abgeben, aus Datenschutzgründen und auch weil es ein laufendes Verfahren vor dem Familiengericht gibt, wie Landrat Eberhard Irlinger sagt. Doch es gibt noch einen anderen Grund, den die Jugendamtsleiterin an diesem Vormittag nannte. Bereits einige Zeit zuvor habe es einen Beitrag des BR gegeben, der jedoch kein derartiges Echo ausgelöst habe. Für diesen habe sie seinerzeit ein langes Interview gegeben. „Was gesendet wurde, war aber nur ein Halbsatz nach dem Motto: Das Jugendamt verharmlost“, erinnerte sich Krahmer. Aus diesem Grund habe man diesmal auf eine Stellungnahme verzichtet.

Irlinger sieht das im Nachhinein als Fehler: „Wir hätten im Film Stellung beziehen sollen. Weil wir es nicht getan haben, entstand der Eindruck, dass wir nur zuschauen.“ Gleichwohl habe es nach der Ausstrahlung schnelle „eindeutige Stellungnahmen“ gegeben.

Die Frage, ob sich die Behörde im Film hätte äußern sollen, bewegte auch den Ausschuss. Während Thekla Mück (SPD) der Meinung war, dass „ein Satz (des Jugendamts) viel Brisanz hätte herausnehmen können“, sagte Johanna Mludek, die für die evangelische Kirche neues beratendes Mitglied des Ausschusses ist, genau das Gegenteil: „Es ist gut, dass Sie kein Interview gegeben haben.“ Schließlich wären auch aus diesem wieder einzelne Sätze herausgeschnitten worden.

Irlinger betonte im Ausschuss auch, dass die Mitarbeiter des Jugendamts durch den Film „in eine furchtbare Situation“ gebracht worden wären: „Die werden hier als unfähig hingestellt.“ Dabei könne man die Kinder nicht aus der Familie nehmen, denn „es gibt dafür weder eine gesetzliche Grundlage noch einen fachlichen Anlass, bei jedem Gericht würden wir durchfallen, wenn wir die Kinder rausholen.“

Katrin Kordes vom Kinderschutzbund nannte die Idee, die Kinder aus ihrer Familie zu nehmen, sogar „absurd“.

„Der Film suggeriert auch, dass die Kinder ständig unter den Fittichen des Gurus sind“, sagte Irlinger. Dies stimme jedoch „hinten und vorne nicht“, die Familie lebe in Lonnerstadt, der Guru in Ailsbach, im vergangenen Jahr hätten nur noch drei Besuche stattgefunden — „dafür zwei für den Film“.

Sind „pumperlgesund“

Zwar hätte die Familie keine Krankenversicherung, „aber die haben 200000 Menschen in Deutschland nicht“. Natürlich bräuchten sie eine, nur sei hier das Jugendamt nicht zuständig und die Kinder seien zudem „pumperlgesund“. „Aber wir schauen auf den Gesundheitszustand der Kinder“, versicherte Irlinger.

Die Mahnwachen hingegen vor dem Haus der Familie und auch des Gurus, „die sind vielleicht gut gemeint, aber sie schaden“. „Oder möchten Sie, dass Ihr Leben so in der Öffentlichkeit seziert wird?“ Wie das Jugendamt mitteilte, hätten die Kinder in der Schule die ersten „Carepakete“ bekommen. Von „Gaffern“, welche die reine Sensationslust treibe, sprach im Zusammenhang mit den Mahnwachen Udo Rathje vom Kreisjugendring im Jugendhilfeausschuss.

Ist das Kindeswohl gefährdet, würde das Jugendamt auch durchaus aktiv, sagte dessen Leiterin Heike Krahmer. Im Jahr 2011 hätte es in Erlangen-Höchstadt 36 Inobhutnahmen gegeben.

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