Siemens baut am Standort Erlangen-Süd 256 Stellen ab

18.11.2017, 15:20 Uhr
Siemens baut am Standort Erlangen-Süd 256 Stellen ab

© Foto: Maja Hitij/dpa

Mit mehr als 1800 Teilnehmern sei die Betriebsversammlung so gut wie noch nie besucht gewesen, teilte Manfred Bäreis, Betriebsratsvorsitzender am Siemens-Standort Erlangen-Süd, nach der Sitzung mit. Auch wenn die Siemens-Geschäftsführung angekündigt habe, 145 zusätzliche Stellen besetzen zu wollen, sei dies "kein Gewinn für den Standort", sagte Bäreis. Es gehe jetzt nämlich erst einmal um die 256 Menschen, die Siemens verlassen sollen oder müssen. "Und um ihre Familien."

In der Versammlung selbst habe eine angespannte, aber "keine depressive Stimmung geherrscht", sagte Bäreis. Der Betriebsrat werde sich zusammensetzen, um die Modalitäten für ein Ausscheiden der 256 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu besprechen. "Natürlich", so Bäreis, "wird es Mitarbeiter geben, die freiwillig in Altersteilzeit gehen wollen". Dies alles müsse bei den kommenden Gesprächen im Betriebsrat berücksichtigt werden.

Immerhin sehe es jetzt so aus, als werde sich Siemens an die "Radolfzell 2" genannte Vereinbarung halten. Darin habe sich Siemens im Jahr 2010 verpflichtet, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen.

Bäreis widersprach Aussagen aus der Konzernleitung, wonach bei Power und Gas der Stellenabbau nur 111 betrage, weil ja 145 Stellen zusätzlich besetzt werden. "Es sind doch 256 Menschen, die ihre Arbeit verlieren".

Allgemein herrschte bei den Siemensmitarbeiterinnen und Mitarbeitern Erleichterung darüber, dass jetzt endlich Zahlen für den Standort Erlangen-Süd auf dem Tisch liegen. Selbst als Siemens-Chef Joe Kaeser am Donnerstag den Abbau von weltweit 6900 Stellen verkündet hatte, hatte er keine Zahlen für Erlangen genannt. In den vergangenen Wochen hatte die IG-Metall die Konzernleitung wegen unklarer Aussagen zum Stellenabbau mehrfach kritisiert. Die IG Metall wirft Siemens auch vor, in den jetzt von Stellenabbau betroffenen Sparten keine Zukunftskonzepte entwickelt zu haben, um das zu vermeiden.

Werksschließung in Görlitz

"Dieses Fehlverhalten sollen wie immer die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbaden", hatte Bäreis bei einer Demonstration gegen den Stellenabbau bei Power und Gas im Oktober erklärt.

"Natürlich kommt man an der Erleichterung erst einmal nicht vorbei. Ich weiß genau, wie viel Unruhe in den vergangenen Wochen in Erlangen bei ganz vielen Menschen und in ganz vielen Familien vorgeherrscht hat. Aber strahlen kann man deswegen nun dennoch nicht", erklärt Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik im Gespräch mit den Erlanger Nachrichten — und ergänzt: "Deutschlandweit sind es richtig viele Entlassungen und Werkschließungen. Das ist keine gute Nachricht für den Standort Deutschland, obwohl Erlangen und die Region glimpflich davongekommen sind."

In Richtung der Siemens-Konzernleitung sagt der SPD-Politiker: "Das Ganze muss nun ohne betriebsbedingte Kündigungen über die Bühne gehen. Alles muss fair und gut miteinander geregelt werden."

Die Auswirkungen auf die "Siemens-Familie" stuft Janik als "groß" ein: "Die über viele Jahre gelebte Kultur bei Siemens war eben nicht von Kündigungen geprägt. Es galt: Wenn man bei Siemens ist, dann bleibt man dort auch. Diese Kultur hat mit den Ankündigungen schon einen großen Knacks bekommen. Das stimmt sehr nachdenklich."

"Natürlich sind wir erst einmal erleichtert, dass es Erlangen nicht so hart trifft", sagt ein Mitarbeiter der Siemens-Division Power und Gas (PG). "Dennoch sind wir geschockt von der Nachricht über die Schließung des Werks in Görlitz. Mit den Kollegen dort arbeiten wir jeden Tag zusammen", ergänzt der Mitarbeiter.

So recht nachvollziehen könne wohl niemand in Erlangen gerade diese Entscheidung der Konzern-Spitze. Schließlich werde auch in Görlitz anerkannt gute Arbeit geleistet, und auch die Auftragslage sei dort nicht schlechter als an anderen Standorten. "Nicht nur für die Kollegen und ihre Familien, sondern auch für die ganze Region dort ist das eine echte Katastrophe. Die Arbeitslosenquote wird dort mit einem Schlag von 14 Prozent auf über 23 Prozent ansteigen."

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