Sind die Erlanger Arcaden ein Ort der Gewalt?

22.4.2018, 17:11 Uhr
Sind die Erlanger Arcaden ein Ort der Gewalt?

© Foto: Harald Sippel

Für die Polizei ist der Platz vor den Arcaden kein besonderer Hot Spot. Die Fläche ist übrigens zum Teil öffentliches Gelände, zum Teil Privateigentum, steht also unter der Zuständigkeit sowohl von Polizei als auch den Arcaden-Betreibern selbst. "Ein Kriminalitätsschwerpunkt kann dort nicht festgestellt werden", sagt der Leiter der Inspektion Erlangen-Stadt, Peter Kreisel.

Der EN-Leser beklagte sich über Vorfälle ("Es wurde laut meinen Informationen ein Security-Mitarbeiter der Arcaden verletzt") und warf Ordnungs- und Sicherheitsbehörden Verschweigen vor. Außerdem äußerte er die Vermutung, diese Zeitung verfahre nach dem Motto ". . . was nicht berichtet wird, hat nicht stattgefunden" oder die Polizei habe der Redaktion einen "Maulkorb" verpasst.

Bei den Vorfällen handelt es sich in einem Fall um ein vom dortigen Security-Dienst durchgesetztes Hausverbot gegen einen Arcadenbesucher, erklärt der Polizeichef. Die genaueren Umstände erläutert Polizeihauptkommissar Ralf Rupp: Bei dem Zwischenfall vom 10. März verwies ein Sicherheitsmitarbeiter betrunkene Jugendliche des Platzes; da sich die jungen Männer nicht daran gehalten haben, wiederholte der Security-Mann das Verbot, woraufhin die Heranwachsenden ihn "zu Boden brachten". Dabei hat er sich "Schürfwunden an Händen und Knien" zugezogen, berichtet der Polizeibeamte.

Beim Arbeitgeber des Security-Mitarbeiters ist dagegen von einer Verletzung nichts bekannt: "Der letzte Verletzte in unserem Unternehmen war im vergangenen Jahr, als ein Mitarbeiter in Sachsen im tiefen Schnee gestolpert ist".

Die Redaktion hatte auch Einsicht in interne Mails des Betreibers des Cafés "Mr. Bleck" in den Arcaden. Darin heißt es, es sei bereits am 26. November 2017 und am 20. Januar 2018 "zu schwerwiegenden Gewalttaten durch einen aggressiven und gewalttätigen Mob" gekommen". Auch Birgit Wegner, zuständig für alle Filialen, berichtet von einer Schlägerei, bei der die Außenbestuhlung des Cafés beschädigt worden sei.

Auf Nachfrage bestätigt Birgit Wegner den Sachverhalt, gibt sich aber zuversichtlich, "dass wir das regeln können". Es handele sich bei dem Platz vor den Arcaden um ein "unschönes soziales Umfeld".

Mehr Security zur Prävention

Im Café selbst sind die Mitarbeiter deutlich zurückhaltender in ihren Aussagen. Zwar gebe es eine "Direktleitung zur Polizei", die sei aber noch nicht in Anspruch genommen worden. Die Jugendlichen würden sich vor allem ab Freitag auf dem Platz versammeln und es sei schon mal vorgekommen, dass sich Jugendliche auf die Außenbestuhlung setzen würden, ohne etwas zu verzehren.

Für die Arcaden bestätigt Center-Manager Vladimir Tinchev, dass wegen der "aggressiven Grüppchen draußen, mehr Security zur Prävention unterwegs ist".

Hintergrund ist, dass im Januar etwa 15 junge Asylbewerber aus der Stadt und dem westlichen Landkreis untereinander in Streit gerieten, wobei ein 22-Jähriger einen 19-Jährigen geschlagen hatte. Von einem Asylbewerber, der dem Platzverbot letztlich nachgekommen war, hat die Polizei die Identität geklärt.

Damals waren (wie ausführlich berichtet) die Asylbewerber aus verschiedenen Ländern des Nahen Ostens in Streit geraten. Inzwischen stehen die Täter fest, das Motiv der Meinungsverschiedenheiten liegt in der "muslimisch-islamischen Lebensführung", berichtet Polizist Rupp. Die Staatsanwaltschaft hat die weiteren Ermittlungen übernommen.

Doch die Suche nach den anderen Beteiligten läuft, die Personenbeschreibungen haben allerdings bisher nichts ergeben. "Es gibt Berichte über angebliche Südländer, aber das kann man nicht beweisen", so Rupp. Seitdem hat sich offenbar keiner der Unbekannten mehr in dem Einkaufszentrum aufgehalten. Am 8. März soll auf dem Platz zudem ein "älterer Mann angepöbelt und (nieder-)geschlagen" worden sein. Diesen Fall der Körperverletzung hat es in den Arcaden laut Polizei wohl nie gegeben.

"Glauben, dass dieser Fall nie stattgefunden hat"

Die Berichte, die der Polizei dazu übermittelt wurden, beruhten, so Hauptkommissar Rupp, "auf das Hörensagen über 27 Ecken." Die Polizei habe bei ihren Recherchen weder einen "verletzten älteren Mann" ermitteln können noch habe sich irgendeiner mit einer Anzeige an sie gewandt. "Wir glauben", sagt Rupp, "dass dieser Fall nie stattgefunden hat".

Auch die von der Redaktion befragten Security-Mitarbeiter in den Arcaden können sich an so einen Fall nicht erinnern. Auch sei die vermeintliche Verletzung des Security-Mitarbeiters eher auf einen "Anwendungsfehler" zurückzuführen als auf rohe Gewalt. Die Securitiy sei angehalten, im Konfliktfall zu "deeskalieren", wenn das nicht hilft zu "fixieren" und die Polizei zu rufen.

Die Erlanger Arcaden seien alles andere als eine Hochburg der Kriminalität, bekräftigen Polizeichef Kreisel und Polizeihauptkommissar Rupp unisono mehrmals. Anfang dieses Jahres hatte es etwas gehäuft Zwischenfälle an dem Ort gegeben.

Seither aber habe es in und um die Arcaden in polizeilicher Hinsicht keine Auffälligkeiten mehr gegeben, oder, wie Rupp feststellt, "wir haben seither gar nichts mehr." Doch die verstärkten Streifen bleiben: "Die Polizei behält die Situation im Auge, auch durch unseren Jugendpräventionsbeamten", betont Polizeichef Kreisel.

Nicht zufällig Bayerns zweitsicherste Großstadt

Von Problemen, wie sie etwa die Nachbarstadt Nürnberg mit Randalieren und Drogen- und Alkoholsüchtigen in der Königstorpassage ("Köpa") hat, sei Erlangen weit entfernt, sagt Rupp. Die Arcaden sind ein beliebter Treffpunkt, ohne Frage — und zwar für junge Asylbewerber und Einheimische.

Das sei aber nachvollziehbar: Schließlich liegen die Arcaden mitten im Zentrum, gegenüber von Anziehungspunkten für viele Heranwachsende wie "Bogarts", "Brasserie" oder" Manhattan". Es gibt in dem Einkaufszentrum vieles zu kaufen, und der Hauptbahnhof ist auch nicht weit entfernt. "Wir können und wollen den jungen Menschen den Aufenthalt dort nicht verbieten", sagt Rupp. Auch die Verantwortlichen der Arcaden, die mit der Polizei in der Sache eng zusammenarbeiten, möchten das ebenso wenig.

Schließlich ist Erlangen nicht zufällig Bayerns zweitsicherste Großstadt, wie es in der Kriminalstatistik 2016 heißt. Die aktuellen Zahlen für 2017 präsentiert Polizeichef Kreisel am Mittwoch, aber große (negative) Veränderungen sind nicht zu erwarten.

"Erlangen hat mehr als 100 000 Einwohner, darunter zehntausende Studenten und tausende Einpendlern, das ist eben kein Dorf mit drei Bürgern", sagt Rupp, "aber gemessen daran passiert in der Stadt wirklich wenig." Die Stadt teilt die Einschätzung der Polizei, dass es sich um den Platz vor den Arcaden um keinen besonderen Problemschwerpunkt handelt.

Das Fazit des erfahrenen Polizeihauptkommissars Rupp lautet daher: "Wir sind eine Großstadt mit kleinstädtischem Charakter".

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