Spionage am Max-Planck-Institut in Erlangen?

27.7.2015, 06:00 Uhr
Spionage am Max-Planck-Institut in Erlangen?

© Foto: Harald Sippel

Die Nachricht platzt hinein in eine Zeit, in der es für das Max-Planck-Institut (MPI) für die Physik des Lichts eigentlich nur Gründe zum Feiern gibt: Das von den Vereinten Nationen ausgerufene Internationale Jahr des Lichts bietet den hiesigen Forschern 2015 eine gute Plattform, um ihre Arbeit öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Seit dem Richtfest Ende 2014 steht zudem einem Umzug in ein hochmodernes, aufgrund seiner Lage am Rand des Naturschutzgebiet allerdings umstrittenes Gebäude in der Staudtstraße im nächsten Jahr nichts mehr im Weg.

Noch aber sind die Wissenschaftler vor allem in Räumen auf dem Siemens-Forschungsgelände an der Günther-Scharowsky-Straße tätig — und genau dort soll sich zwischen 2009 und 2011 der Agenten-Krimi zugetragen haben.

Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel hat der russische Physiker Ivan A. in dem besagten Zeitraum jeweils für mehrere Monate in der Einrichtung gearbeitet. So soll der Wissenschaftler in der Grundlagenforschung eingesetzt worden sein, die etwa bei der Entwicklung von ultraschnellen Quantencomputern eine Rolle spielt. Dort erlangte Informationen hat Ivan A. offenbar an den zivilen russischen Geheimdienst SWR gegen Bezahlung weitergegeben.

Aufgeflogen ist das, so heißt es im Spiegel, wohl bei einem Treffen mit einem als russischen Diplomaten getarnten SWR-Offizier in Aachen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte zunächst nur den SWR-Offizier ins Visier genommen — und stieß dabei auf den Physiker.

Ein Fall von Spionage wie zu Hochzeiten des Kalten Krieges? Angeblich ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit. Das aber wollte die Behörde auf Anfrage der Erlanger Nachrichten nicht kommentieren.

Fest steht, dass der Verdächtige vor über vier Jahren als Gast am MPI aktiv war. Das bestätigte der Geschäftsführende Direktor des MPI für die Physik des Lichts, Professor Gerd Leuchs, gegenüber unserer Zeitung. Zudem habe ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutzes im März 2014 die Personalabteilung des betroffenen Instituts besucht und nach Informationen über den Verdächtigen gefragt.

Als Grund habe der BfV-Mitarbeiter Hinweise auf eine Spionagetätigkeit des Verdächtigen genannt, erinnert sich Leuchs. Dabei seien Vermutungen laut geworden, der russische Physiker könne auch in Erlangen spioniert haben. „Sie haben bei uns nach Indizien dafür gesucht und soweit wir wissen nichts gefunden“, so Leuchs. Das Institut selbst habe keine Hinweise auf eine solche Tätigkeit.

Den Nutzen einer Spionagetätigkeit hält der Experte hingegen eher für gering, da es sich bei der Arbeit vor allem um wissenschaftliche Ergebnisse handle, die in Zeitschriften oder auf Konferenzen vorgestellt werden. „Da die Ergebnisse alle öffentlich sind, sind die Möglichkeiten zu lohnender Spionage sehr eingeschränkt“.

Besondere Brisanz jedoch erhält der Fall durch die räumliche Nähe zu Siemens. Denn das Institut befindet sich — neben einigen Bereichen, die am Physikum der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) angesiedelt sind —, bis zum Umzug auf dem Betriebsgelände „Forschungszentrum“ des Unternehmens. Dort herrschen — um eben möglicher Wirtschaftsspionage vorzubeugen — strengste Einlasskontrollen und Sicherheitsvorkehrungen.

Noch liegen laut einem Firmensprecher keine Hinweise darüber vor, ob Ivan A. versucht hat, an Daten des weltweit agierenden Konzerns zu gelangen.

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