Sportlerwahl: Nadja Pries lebt ihren Olympia-Traum

11.1.2017, 06:00 Uhr
Eine schöne Bahn: Die Wettkampfstätte in Rio de Janeiro hat Nadja Pries besonders beeindruckt.

© Foto: afp Eine schöne Bahn: Die Wettkampfstätte in Rio de Janeiro hat Nadja Pries besonders beeindruckt.

Es war vor zehn Jahren, als sich ein Mädchen aus Spardorf vornahm, ans andere Ende der Welt zu fliegen. Und das nur, um ein Weltcup-Rennen zu fahren. Zwei Jahre lang wünschte sich das Mädchen keine Geschenke, nicht zu Weihnachten und auch nicht zum Geburtstag. Es wünschte sich nur Geld für die Reise nach Australien.

Parallel trainierte das Mädchen so hart für sein Ziel, dass es das nach zwei Jahren erreichte. Es kam sogar ins Finale. „Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich das nicht geschafft hätte“, sagt Nadja Pries. Doch sie hat es geschafft und dabei gemerkt: „Wenn ich will, kann ich alles schaffen.“

Elfmal hat sie die Deutsche Meisterschaft, zweimal Silber und Bronze bei Welt- und Europameisterschaften der Junioren gewonnen. Und 2016 hat sie sich für die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro qualifiziert.

Für Sportler ist das der größte aller Träume. Nadja Pries hat ihn sich erfüllt. In einer Sportart, von der viele gar nicht wissen, was das ist, dieses BMX. „Manche verwechseln es mit Mountainbike“, sagt Pries. Einerseits kann sie darüber schmunzeln. Andererseits: Wie kann jemand verstehen, wie großartig eine Leistung ist, wenn er nicht einmal weiß, was man dafür auf sich nehmen muss?

Bicycle Motocross, kurz BMX, ist ein harter Sport. Im Prinzip fahren acht Leute mit einem kleinen Fahrrad von einem Hügel aus los. Die Strecke ist wellig, Sprünge über die Anhöhen gehören ebenso dazu wie schnelle Kurven. Wer zuerst ankommt, gewinnt. Drängeleien und Stürze gehören dazu. „Vor ein paar Monaten ist Sam Willoughby aus Australien im Training gestürzt und jetzt teilweise gelähmt“, sagt Pries.

"Der Sport ist gefährlich"

Um zu verstehen, wie nahe ihr das geht: Die weltbesten BMX-Fahrer halten zusammen wie eine große Familie. „Es gibt Videos, in denen man sieht, wie er wieder laufen lernt. Wenn man das vor Augen hat, merkt man: Der Sport ist gefährlich.“ Trotzdem würde der 22-Jährigen niemals einfallen, damit aufzuhören. „Beim Rennen darf man nicht darüber nachdenken. Und BMX ist so viel mehr als das. Es macht unglaublich viel Spaß.“

Sportlerwahl: Nadja Pries lebt ihren Olympia-Traum

© Foto: Harald Sippel

Für Nadja Pries wäre es ein Leichtes, zu behaupten, niemals Angst zu haben. Sie hat es zu den Olympischen Spielen geschafft. In einer Trend-Sportart, die fast schon zu cool ist, um wahr zu sein. Sie sieht perfekt aus, mit ihren langen, blonden Haaren, ihrer schlanken Figur, dem durchtrainierten Körper. Auf Fotos wirkt wohl niemand selbstbewusster. Und dennoch.

Auch Nadja Pries hat Ängste überwinden müssen. Und was vielleicht noch eine größere Leistung ist: Sie kann es zugeben. „Eine Zeit lang, vor zwei Jahren etwa, bin ich öfter gestürzt. Irgendwann hat sich daraus wirklich eine Angst entwickelt“, sagt Pries. „Ich war angespannter auf dem Rad. Dadurch bin ich noch öfter gestürzt. Es war wie eine Spirale. Es gab Momente am Startblock, in denen ich am liebsten das Weinen angefangen hätte. Der Kopf sagt: Du kannst da nicht herunterfahren.“ Doch sie wusste: „Wenn ich will, kann ich alles schaffen.“ Also hat sie es geschafft. „Du musst dir soweit vertrauen, dass du fährst und merkst, dass dir nichts passiert.“

Anfang des vergangenen Jahres hatte die Spardorferin einen starken Sturz in Argentinien. „Ich war kurz bewusstlos. Danach habe ich gedacht: Scheiße, hoffentlich ist jetzt die Angst nicht zurück.“ Doch sie kam nicht. „Seitdem habe ich Respekt. Aber ich weiß, dass ich es kann.“

Nervös war Nadja Pries vor Olympia trotzdem. „Als ich dort war, wirkte alles so überwältigend.“ Ein halbes Jahr später spielte sich alles vor ihrem inneren Auge ab, wie in einem Film. „Das Beste war unsere Bahn. Sie war schön, alles machbar, gut präpariert, trotzdem schwer, unglaublich schnell — anders als alle Bahnen, die ich bisher kannte.“ Die gesamte Wettkampfstätte war beeindruckend. „Wir sind mit dem Bus über einen Hügel gefahren und haben die Bahn und die riesigen Tribünen gesehen.“

"Die Fehler sind passiert, weil ich so nervös war"

Als dort dann mehr als 7000 Zuschauer lärmten, lähmte eine unbändige Nervosität die junge BMX-Fahrerin. Nach dem Halbfinale schied sie aus. „Bei anderen Rennen schaue ich danach jeden kleinen Fehler an.“ Bei Olympia aber war es anders. „Die Fehler sind nicht passiert, weil ich etwas Dummes gemacht habe, sondern weil ich so nervös war.“

Am ersten Tag nach dem Rennen saß Pries in ihrem Zimmer auf dem Bett. „Ich habe mich völlig falsch und fremd gefühlt.“ Zwei Weltcups standen noch an. „Da wusste ich zumindest, warum ich ins Training gehe. Doch als ich danach wieder zu Hause war, wusste ich nicht mehr, was ich machen möchte.“

Pries ist nicht der Typ, der sich wochenlang auf die Couch legt, also hat sie sich mehr um ihr Psychologie-Studium gekümmert. „Ich habe es genossen, dass ich das Training um die Uni herum legen kann und nicht anders herum.“ Jetzt gerade kommt die Motivation wieder. „Ich habe mir gesagt, dass ich es ab dem 1. Januar wieder angehen muss. Mich hat es selbst genervt, nicht zu trainieren.“ Pries hat sich Großes vorgenommen. Und wenn sie etwas will, dann schafft sie es auch.

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