Tänzer des TTC Erlangen kämpfen sich zur WM zurück

19.8.2018, 11:00 Uhr
Zurück auf dem Parkett: Harald und Anja Dormann in Stuttgart.

© TTC Erlangen Zurück auf dem Parkett: Harald und Anja Dormann in Stuttgart.

Tage ohne Tanzen, die gab es nicht. Die sollte es auch nicht geben. Und dann waren sie plötzlich da, "erbärmlich lange", wie Harald Dormann sagt. Es war vor eineinhalb Jahren, kurz nachdem ein großes Interview in den Erlanger Nachrichten erschienen war. Anja und Harald Dormann, die Erlanger Weltklasse-Tänzer, erzählten von ihrer größten Leidenschaft, vom vielen Training, von internationalen Turnieren.

Drei Tage später saß Harald Dormann beim Arzt. "Die Supraspinatussehne Ihrer rechten Schulter ist abgerissen", sagte der Orthopäde. Sehr ernsthaft sei das. Harald Dormann könne froh sein, wenn er mit seiner Schulter irgendwann wieder alltagstaugliche Bewegungen machen könne. Und Tanzen? Vielleicht nie wieder. "Für mich ist Tanzen mein Leben", sagt der 64-Jährige, "es hat mich voll ausgefüllt." Ohne Tanzen war Harald Dormann "auf Null". Doch aufgeben wollte er nicht.

Der Erlanger suchte den Rat von Spezialisten. Einer empfahl direkt eine Operation, es gab sogar schon einen Termin und eine Rechnung. Ein anderer riet zu einer Physiotherapie. Zwei Tage zuvor war noch Turn-Olympiasieger Fabian Hambüchen in dessen Münchener Wartezimmer gesessen. "Mein Bauchgefühl sprach gegen eine OP", sagt Harald Dormann. Also begann er die Physiotherapie. In den ersten acht Monaten hatte er dreimal pro Woche einen Termin, "acht Monate!", wiederholt der Tänzer im Gespräch, acht Monate sind verdammt lange. "Doch ich wollte wieder tanztauglich werden."

Vier Sehnen gibt es in der Schulter, eigentlich braucht man alle vier. Ist eine gerissen, kann man es mit viel Training schaffen, dass die anderen drei das kompensieren können. "Nach vier Monaten war ich wieder beim Spezialisten", die Therapie war erfolgreich, also machte Harald Dormann weiter. "Ich habe auch selbst gespürt, dass es der richtige Weg ist, man weiß nur nicht, wie lange es dauert." Nach einem Jahr hatte er keine Beschwerden mehr, "die Schmerzen waren weg".

Getanzt hat Harald Dormann schon zuvor, bereits zwei Monate nach seiner Verletzung. "Ich sah aus wie ein Einarmiger, der Arm hing schlaff herunter. Doch die Beine funktionierten ja." Das Paar hat die Zeit genutzt, um an technischen Defiziten zu üben, "ohne Zeitdruck, gleich wieder zum nächsten Turnier zu müssen". Das, meint Harald Dormann in der Rückschau, war sogar ganz schön.

Nach eineinhalb Jahren war auch der rechte Arm wieder bereit für Leistungssport, die Dormanns wollten es noch einmal wissen. Für ihre Rückkehr hatten sie sich die German Open Championships (GOC) ausgesucht, ein riesiges Turnier mit 25 000 Zuschauern und mehr als 4000 Paaren aus rund 60 Nationen. "Ich habe immer wieder gezweifelt", sagt Harald Dormann. Er dachte über das Karriereende nach. "Doch ich möchte aufhören, wenn ich will, und nicht, wenn ich dazu gezwungen werde." Es gab Rückschläge, "die Schulter hat gesponnen".

Drei Monate haben die Erlanger für die GOC trainiert, so intensiv wie nie zuvor. "Wir waren euphorisch. Es gibt einem noch einmal einen anderen Schub. Man kann es mit einer schweren Krankheit vergleichen. Es ist ein Geschenk, danach zurückzukommen." Als dann die erste Runde in der Klasse für Seniorenpaare ab 40 Jahre in Stuttgart anstand, "waren wir wieder nervös", sagt Harald Dormann. "Dieses Turnier war viel wichtiger als alle Ranglisten-Turniere zuvor. Es war für mich sehr emotional. Es ging um mehr, als einfach nur gut zu sein." Die Erlanger wollten beweisen, dass sie zurück sind. Vor allem sich selbst.

"Einer meiner schönsten Momente als Sportler"

Vor den amtierenden Bayerischen Meistern Achim Hobl und Kerstin Hahn kam das Paar des TTC Erlangen auf Platz 14. "Das war einer meiner schönsten Momente als Sportler", sagt Harald Dormann. Die zweiten Teilnehmer des TTC Erlangen, Anissia Enes und Marcel Hammrich, haben im Turnier WDSF Open Youth Latin mit 174 internationalen Paaren die dritte Runde erreicht. Das junge Paar belegte Platz 94 bis 96. Damit wurden die Erlanger bestes bayerisches Paar und kamen unter die Top zehn aller deutschen Paare in dieser Klasse.

Das nächste Ziel für Anja und Harald Dormann steht bereits fest, die Weltmeisterschaft am 12. Oktober in Bilbao/Spanien. Dort treten die Erlanger dann auch wieder gegen Paare aus ihrer Altersklasse an, in Stuttgart war die Konkurrenz ja viel jünger. "Das ist noch einmal eine andere Nummer", sagt Harald Dormann. Erstmals findet eine WM für seine Altersklasse statt, deshalb gibt es auch noch keine Weltrangliste. Trotzdem kennen sich die Paare untereinander natürlich.

"Wir sind sehr gut vorbereitet", sagt Harald Dormann. Gemeinsam mit ihrem Coach Markus Heffner haben sie einen Trainingsplan aufgestellt. Seit der Verletzung "sind wir besser geworden", sagt der Erlanger, das sei auch deutlich auf Videos zu sehen. "Die Technik hat sich verbessert, ich habe so viel aufgeholt, dass ich sogar den Muskelschwund und das Alter kompensieren kann." Auch deshalb sagt er selbstbewusst: "Wir können es bei der WM aufs Treppchen schaffen." Bis dahin sind es noch ein paar Tage, und an allen wird Harald Dormann tanzen.

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