Triathletin Anne Haug: "Jeder träumt von einer Medaille"

20.8.2016, 11:00 Uhr
Triathletin Anne Haug:

© Foto: dpa

Vor zwei Jahren schien der Traum bereits ausgeträumt. Anne Haug war nach London zurückgekehrt, um zu triumphieren. Triathlon aber ist ein Sport, so unberechenbar wie die Wellen im Atlantik. Selbst auf der kurzen Distanz, der olympischen, auf der die Sportler auf 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und zehn Kilometer Laufen durchpowern, kann immer etwas passieren.

Anne Haug ist etwas passiert. Bei dem WM-Wettkampf auf der Olympia-Strecke in London stürzte sie vom Rad. Sie war mit der US-Amerikanerin Chelsea Burns zusammengestoßen und auf die Hüfte gefallen. Zwar schleppte sich die Erlangerin noch ins Ziel. Für lange Zeit aber sollte es ihr letztes Rennen gewesen sein. Ärzte fanden ein Ödem am Oberschenkel-Hals-Knochen. Die Verletzung bedeutete das Saison-Aus.

Erst im Herbst konnte sie wieder trainieren und sich auf die vor-olympische Saison vorbereiten. „Das war alles andere als gut“, sagt Haug. „Wenn man ein halbes Jahr seine Beine nicht bewegen kann, dann fehlen viele Laufkilometer.“ Kraft und Fitness hätten gerade so gereicht, um die Olympia-Qualifikation zu schaffen.

Die aktuelle Saison begann ebenfalls schleppend. Der erste Wettkampf im März in Abu Dhabi war mit Platz 38 ernüchternd. „Klar ist man sehr geknickt nach so einem Rennen, da die Trainingsleistungen wirklich sehr gut waren. Aber Triathlon ist eben kein Selbstläufer“, sagt Haug. Ihre Konkurrenz ist natürlich auch topfit. „Um sehr gute Ergebnisse abrufen zu können, muss alles stimmen.“ Grundvoraussetzung sei eine gute Fitness. „Und dann muss einem auch noch ein perfektes Rennen gelingen.“

Für Rio qualifizierte sich Haug Ende April beim WM-Rennen in Kapstadt. Rang vier brachte ihr endgültig das Ticket für die Olympischen Spiele. Zum fünften Mal nach Sydney, Athen, Peking und London gehört in Rio Triathlon zum Programm der Sommerspiele. Neben Anne Haug startet auch Laura Lindemann. Bei den Frauen holte Deutschland noch nie eine Medaille. Die Erlangerin könnte also Historisches schaffen. Und diesmal weiß sie auch, was auf sie zukommt.

Vollgas in der Vorbereitung

Vor vier Jahren in London fiel die Triathletin nach der Qualifikation in ein Loch, ihr großes Ziel war damals bereits erreicht. Den olympischen Wettkampf an sich hatte sie als „Sahnehäubchen“ empfunden. Am Ende wurde sie überraschend Elfte und beste Deutsche. Damit allerdings wäre Haug diesmal nicht mehr zufrieden.

Ihr Ziel ist eine Top-Platzierung. Und darauf hat sich die WM-Zweite von 2012 seit vielen Monaten akribisch vorbereitet — weltweit wohlgemerkt. Weihnachten feierte sie während eines Trainingscamps auf Lanzarote, ihren 33. Geburtstag in Südafrika. Ende Mai verpasste Haug bei der EM in Lissabon mit Rang fünf knapp das Podest. Anschließend ging es ins Höhentrainingslager in St. Moritz. „Nichts Anderes als Olympia zählt. Meine Verletzung ist auskuriert, und in der Vorbereitung hat es keinen Schongang mehr gegeben, sondern nur noch Vollgas.“

In Deutschland quält sich Haug mittlerweile in ihrer sportlichen Heimat in Saarbrücken. Dort ist der Olympiastützpunkt der deutschen Triathleten angesiedelt. Meistens dabei: Coach Dan Lorang. Ihn kennt Haug bereits seit mehr als zehn Jahren. „Er plant diesen Tag schon sehr lange und weiß genau, was ich brauche, um am Tag X meine beste Leistung abrufen zu können.“

Denn genau die wird die Erlangerin brauchen, um ihren Olympia-Traum zu erfüllen. „Natürlich träumt jeder Athlet von einer Medaille bei den Olympischen Spielen“, sagt Haug. Das sei die Krönung aller täglichen Leiden. „Dafür motiviert und quält man sich im Training.“ Die gebürtige Pegnitzerin hat sich bestens vorbereitet, doch auch die Tagesform ist entscheidend. „Ob es dann zu einer Medaille reicht, liegt nicht in meinen Händen. Ich versuche mich mehr auf ein optimales Rennen zu konzentrieren, bei dem ich mein absolutes Maximum abrufen kann, als an eine Medaille zu denken.“

Die Strecke in Rio ist Haug schon bekannt. Vergangenes Jahr gab es ein Testrennen auf dem Olympiakurs. Für die Erlangerin war es der beste Wettkampf der Saison, am Ende wurde sie Siebte. Diesmal aber will sie noch ein wenig besser sein. Los geht es am Samstag, 20. August, mit dem Schwimmstart um 11 Uhr Ortszeit. „Das Gute ist, dass es dort nur eine Runde zu Schwimmen gibt“, sagt Haug. Für die Athleten heißt das vor allem: weniger Geprügel im Wasser. „Das fühlt sich dann mehr nach Schwimmen als Nahkampftraining an.“

US-Amerikanerin Jorgensen ist die härteste Konkurrentin

Auf dem Radkurs werden alle leiden, wenn es an einem Anstieg 25 Prozent steil bergauf geht, zwei Anstiege gibt es, etwa bei Kilometer eins und zwei. Das Rennen findet in der ehemaligen Militärbasis Fort Copacabana direkt am Strand statt. Auf dem Rad geht es durch die Stadt, Laufen werden die Athleten direkt an der Uferpromenade entlang.

Als härteste Konkurrentin gilt die US-Amerikanerin Gwen Jorgensen. Sie führt auch die Liste der Top-Starterinnen des Weltverbands an, gefolgt von der Neuseeländerin Andrea Hewitt und Jorgensens Landsfrauen Jodie Stimpson sowie Flora Duffy. Nicht vergessen sollte man Lisa Norden. Die Schwedin war beim Bundesliga-Finale in Tübingen überraschend am Start und sehr stark.

Doch verstecken muss sich Anne Haug nicht. Sie ist Mannschafts-Weltmeisterin 2013, Vize-Weltmeisterin 2012, holte Rang elf bei den Sommerspielen in London 2012, feierte drei Siege bei der World Triathlon Series. Für den TV 1848 startet sie in der ersten Bundesliga. Und dennoch: Bei einem Triathlon-Rennen kann alles passieren. Auch ein Erlanger Sieg an der Copacabana.

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