Urban Gardening mitten in Erlangen

9.10.2016, 06:00 Uhr
Urban Gardening mitten in Erlangen

© Foto: Ulrich Schuster

Der kleine Jonas nennt ihn „Chef“. Dann beißt der fünfjährige Blondschopf in den Pfirsich, den er eben mit seinen von der Erde schwarz gefärbten Händen vom Baum gepflückt hat. Ortwin Reichold, der „Chef“, sitzt neben ihm auf einer Bank und freut sich. Nicht unbedingt wegen des Namens, als Chef sieht er sich hier ganz und gar nicht. Reichold freut sich über den Jungen, das Obst und vor allem den Garten.

Es ist eine grüne Idylle mitten in der Stadt, mit Obstbäumen, Tomatensträuchern, Kräuterbeeten und kleinen Kindern, die in der frischen Erde buddeln oder ihre Pflänzchen gießen. Straßenlärm und Hektik sind weit weg. Reichold kennt diesen Garten bereits seit seiner Kindheit, das Grundstück gehört seinen Eltern. „Es war ein Nutzgarten. Wir hatten früher 80 Obstbäume“, sagt der 58-Jährige.

Obstbäume und Kräuterbeete

Im Garten geholfen hat er schon immer gerne. „Zu Studentenzeiten war das mein Ausgleich zur geistigen Arbeit“, sagt der Historiker. Das ist bis heute so, fast jeden Abend kommt der Ausstellungskurator in seinen Garten. Doch anders als früher ist er dort nicht mehr alleine. „Das Gelände ist sehr groß. Also habe ich mir gedacht, ich möchte andere miteinbeziehen.“ Die Idee des „Urban Gardening“ hat ihm gefallen. „In Erlangen gab es das noch nicht.“

Im vergangenen Jahr gründete Reichold den Verein „Stadtgarten 25“. Seither hat er mehr als 20 Hochbeete auf dem 1200 Quadratmeter großen Garten vergeben, nächstes Jahr sollen es doppelt so viele werden. Alle können gemeinschaftliche Obstbäume und Kräuterbeete nutzen. Dafür muss man eine Gartenmitgliedschaft für eine Saison erwerben.

„Es ist eine spezielle Form der Vereinsmitgliedschaft“, sagt Reichold. „Aber es sind keine festen Verträge. Ich wollte das flexibel gestalten.“ Bis vor kurzem trafen sich die Gartenfreunde — jung und alt, mit und ohne Kind — abends zum Gießen und Ernten. „Ich sorge dafür, dass alles läuft, mähe mal den Rasen, solche Sachen“, sagt Reichold.

Auf den ersten Blick sieht er nicht aus wie ein typischer Gärtner, mit grüner Hose, Sonnenhut und dreckigen Händen. Der Historiker trägt ein kariertes Hemd, eine dunkle Hose und eine Brille aus Holz. Die Idee, seinen Garten mit der Nachbarschaft zu teilen, war überlegt, so wie alles, was der Erlanger anpackt.

Krumme Gurken ernten

„Im urbanen Umfeld haben Kinder kaum die Möglichkeit, den Umgang mit Pflanzen oder dem Boden zu erlernen.“ Er hat sich gewünscht, dass man wieder sieht, wie Gemüse wächst. „Den Kontakt zu den Nahrungsmitteln haben viele verloren.“ Im Garten allerdings könnten die Kinder beobachten, was man alles machen muss, bis etwas gedeiht. „Im Supermarkt sind alle Gurken gleich lang, hier gibt es große und kleine.“ Biologisches Gärtnern steht im Fokus. „Es ist wichtig, das weiterzugeben.“

Reichold ist ein ruhiger Mensch. Zum Bauen der Hochbeete hat er sich ein Konzept überlegt. Projekte, die er noch im Kopf hat, will er gut strukturiert umsetzen. Er trifft Entscheidungen nicht aus dem Bauch heraus und springt auch nicht jubelnd in die Luft, wenn etwas klappt. Stattdessen sitzt er einfach nur da und guckt dem kleinen Jonas beim Pfirsich-Essen zu.

Kontakt per E-Mail an info@buero-reichold.de

Kennen Sie einen Klimaschützer? Schreiben Sie uns an redaktion-erlangen@pressenetz.de

3 Kommentare