Verursacht der Mobilfunk Krebs?

13.1.2014, 16:00 Uhr
Verursacht der Mobilfunk Krebs?

© Wolfgang Langenstrassen/dpa

In der Straße, in der Hans Schmelzer, pensionierter Schulrektor aus Helmstadt, wohnt, gibt es nur noch ein Haus ohne Krebspatienten. Schmelzer selbst ist zum zweiten Mal erkrankt, seine Frau erlag dem Krebs im Jahr 2004. Die Krebsursache konnte der Sportlehrer und Psychologe dank akribischer Recherchen nachweisen: Auslöser ist demnach die Elektrosmogbelastung des 600 Meter entfernten Mobilfunk-Sendemasts, der mit 40 Richtungs- und 25 Mobilfunkantennen in die Region strahlt. Beim Infoabend der Bürgerinitiative Mobilfunk stellte er seine Recherchen vor.

„Vier Jahre nach Errichtung des Sendemasts traten die ersten Krebsfälle auf“, berichtete Schmelzer. „Bis 2006 stieg die Zahl der Betroffenen auf 32 an.“ Mithilfe der Bundesnetzagentur ermittelte Schmelzer die Hauptstrahlrichtung (HSR) der Antennen. Das Ergebnis: die Häuser der Betroffenen lagen alle in der entsprechenden Zone.

Zwei Drittel der Einwohner brachte Schmelzer mit Infoabenden wie dem in Kleinsendelbach hinter sich. Doch der Mast stehe nach wie vor. Der Nachbarort Wenkheim war erfolgreicher: Dort wurde der Sendeturm 2008 nach 15 Jahren abgebaut. In Thüringen und Sachsen nennt Schmelzer weitere Orte unter Strahlenbelastung. Auch dort gebe es Bürgerinitiativen.

Eine Zuhörerin erzählte, ihr Sohn habe, als sie ihn bat, das WLAN vorübergehend abzuschalten, geantwortet: „Was willst du denn, durchs Haus laufen permanent sieben weitere WLAN-Netze.“ Genau darin liege das Problem, antwortete Frank Herdegen, Sprecher der IG Mobilfunk und Mitglied der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V.. Er selbst hat seine Wohnung in Erlangen abschirmen lassen, mit speziellen Farbanstrichen und mehrfach verglasten Thermofenstern. Den Zuhörern riet er, wenigstens Handy und Router nachts auszuschalten. Denn dann laufe im Körper die Zellregeneration, die durch Elektrosmog gestört werde – Zelldegenerationen sind die Ursache für Krebs.

„Die meisten spüren nichts“

„Die meisten spüren nichts“, begann Klaus Buchner, Physiker und Professor an der TU München, die wissenschaftlichen Befunde des Krebsrisikos vorzustellen und merkte an: Die Aussage, Rauchen erhöhe das Krebsrisiko, sei vor einigen Jahren noch strafbar gewesen. „Heute lesen Sie das auf jeder Zigarettenschachtel.“

Die Gesundheitsrisiken durch Mobilfunk würden dagegen kaum diskutiert. Im Gegenteil, angefangen von GSM und UMTS für Mobilfunk, über PECT für Schnurlos-Telefone, WLAN und Bluetooth bis zu Tetrawellen, werde das Strahlenpotential immer weiter potenziert.

In Deutschland liege der Spezifische Absorptionswert (SAR), der Höchstwert der Sendeleistung, die der Körper bei einem Handy-Telefonat aufnehmen darf, bei zwei Watt pro Kilogramm Körpermasse. Im Laborversuch genügten bereits 1,3 Watt pro Kilogramm, um nach 72 Stunden Strahlenbelastung gravierende Veränderungen zu verursachen. Das Immunsystem werde geschwächt, die Hirnströme verändert. Als erste Anzeichen nannte er Schlafstörungen, Gedächtnis- und Konzentrationstörungen, Hautausschlag, Nasenbluten, unangenehme Körpererwärmung. „Auf 72 Stunden Handytelefonat kommt man schnell“, ergänzte Buchner. Vor allem die junge Generation, die mit dem Handy aufwachse, sei gefährdet.

EU will niedrigere Grenzwerte

Dennoch sei der gesetzlich zulässige Höchstwert der Handystrahlung in Deutschland um ein Vielfaches höher als in anderen EU-Ländern. Nicht umsonst hätten Europarat, EU-Parlament und die Europäische Umweltagentur mehrfach gefordert, die Grenzwerte zu senken.

Doch die Bundesregierung verfolge hartnäckig den Kurs der Wirtschaftlichkeit: Niedrigere Übertragungsraten kämen Anbietern wie Kunden teurer.

6 Kommentare