Verve und Bitternis

15.2.2017, 19:25 Uhr

Den US-Wahlkampf noch im Ohr, der Bundestagswahlkampf in den Startlöchern, so bekommt das große, erstaunlich junge Publikum in der Ladeshalle eingangs "Slava! A Political Overture" von Leonard Bernstein geboten. Dieses kurze Stück sprüht vor Vitalität, indem es nicht nur Wahlkampf-Marschmusik zitiert, sondern auch Wahlkampfplattitüden vom Band. Temperamentvoll, mit viel Schwung präsentieren die jungen Philharmoniker dieses interessante Werk, das leider viel zu selten gespielt wird.

So richtig zum Kochen kommt die Atmosphäre bei George Gershwins "Rhapsody in Blue". Der junge Dirigent Tristan Uht, den sich die Musiker schon öfter als Leiter gewählt haben, balanciert erfolgreich auf dem schmalen Grad zwischen Spielfreude und Eingrenzung. Er lässt Begeisterung und Verve der Musiker in eine glänzende Form fließen.

Diesen Glanz reichert die brasilianische Pianistin Débora Halász durch ihr brillantes Spiel nochmals an. Die Gewinnerin des "Latin Grammy Award 2015" entfacht am Klavier ein sprühendes Feuerwerk, bleibt bei den gewaltigsten Griffen locker und navigiert lustvoll durch Gershwins rhythmische Tücken. Untrennbar an ihrer Seite das extrem agil mitschwingende Orchester.

Ganz anders dann die Stimmung nach der Pause. Dmitri Schostakowitsch hatte seinerzeit zu "liefern": Das Stalin-Regime verlangte patriotische Musik, was immer darunter zu verstehen war, und das Schicksal des Komponisten (und seiner Familie) hing vom Erfolg seiner 5. Symphonie d-Moll, op. 47 ab. Heraus kam dabei ein dunkles Werk voller Melancholie, Zynismus und Marschmusik, die Linientreue vorgaukeln sollte.

Ausgezeichnete Soli

Die Junge Philharmonie schafft dieses krasse Umschalten von Gershwins Übermut zu Schostakowitschs Mutlosigkeit in erstaunlicher Weise. So ein schmerzerfülltes Moderato, so einen Stillstand jeglicher Freude hat man selten gehört. Anrührend ist auch die "gleichgeschaltete" Unisono-Passage. Ausgezeichnete Soli darf man im Allegretto genießen, auch ein beeindruckend präzises Tutti-Pizzicato, bevor man im Largo der Überdosis Bitternis fast erlag. Im abschließenden, an lärmigem Pathos reichen Allegro scheint Schostakowitsch seine Niederlage und gleichzeitig den Sieg der kommunistischen Musik-Kritik zu feiern.

Die technischen Herausforderungen an die Musiker sind enorm, aber mit einer Riesenleistung an jedem Pult werden sie diesen durchaus gerecht. Nicht viele Liebhaber-Orchester können sich an ein Werk dieses Niveaus wagen – hier hat der Wagemut gesiegt.

Zutiefst berührt klatschten die Zuhörer begeistert Beifall und wurden dafür mit einem Walzer aus Dmitri Schostakowitschs Jazz-Suite belohnt.

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