Von Erlangen nach Ansbach fahren?

20.5.2018, 11:30 Uhr
Von Erlangen nach Ansbach fahren?

© dpa/Sven Hoppe

Wer pflegebedürftig ist, aber nicht das Geld hat, um die Pflege zu bezahlen, hat unter Umständen Anspruch auf "Hilfe zur Pflege" durch den Sozialhilfeträger. Dafür muss ein Antrag gestellt werden, zuvor sind in der Regel beratende Gespräche notwendig.

Bisher konnten die Betroffenen oder deren Angehörige dies vor Ort erledigen. Doch in Zukunft wird dies in Erlangen voraussichtlich nicht mehr möglich sein. Noch dieses Jahr soll der Bezirk Mittelfranken die "Hilfe zur Pflege" übernehmen. Das Sozialamt der Stadt Erlangen muss im Oktober 50 Fälle an den Bezirk abgeben. Für künftige Fälle gilt, dass Antragsteller nach Ansbach fahren müssen. So will es der bayerische Gesetzgeber. Dies stößt auf verschiedenen Seiten auf Widerstand.

"Die Zuständigkeit für Pflege gehört rein auf kommunale Ebene", findet Gisela Niclas (SPD). Doch die Erlanger Stadträtin und Bezirksrätin muss damit leben, dass es seit einiger Zeit im Freistaat Bayern ganz anders läuft. Tendenziell eben aus ihrer Sicht in die falsche Richtung. Bereits seit 2008 sind die Bezirke nicht mehr nur für Menschen mit Behinderung in stationären Einrichtungen zuständig, sondern auch für ambulante Hilfe in der Pflege dieser Menschen. Jetzt soll auch die Zuständigkeit für die "Hilfe zur Pflege" von den Kommunen und Landkreisen hin zu den Bezirken verlagert werden. "Die Altenhilfeplanung aus den jeweiligen Örtlichkeiten herauszulösen, halte ich für eine massive Fehlentscheidung", kritisiert Niclas.

Wie es nun tatsächlich weitergehen wird mit der "Hilfe zur Pflege" und, mehr noch, mit der gesamten Altenhilfeplanung, darum wird derzeit noch gerungen. Im Bezirkstag und im Städtetag. Gesprochen wird über die Einrichtung von Pflegestützpunkten, die Finanzierung soll zwischen Bezirken und Kommunen aufgeteilt werden. Pflegestützpunkte, die in verschiedenen Städten und Landkreisen eingerichtet würden, im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung zu sichern, sei die wichtigste sozialpolitische Forderung in diesem Bereich, so Niclas. Die SPD hat zur Sitzung des Sozialausschusses des Bezirkstags Mittelfranken am 12. Juni einen entsprechenden Antrag gestellt. "Es ist eine ungute Situation, dass es so zäh vorangeht und noch keine Mustervereinbarung gibt", sagt die Sozialdemokratin. Für die Stadt Erlangen könnte es eine gute Lösung sein, wenn sie Pflegestützpunkt würde, meint Niclas.

Dass es geradezu katastrophal wäre, wenn pflegebedürftige Menschen aus Erlangen — oder deren Angehörige — für ihre Anträge auf "Hilfe zur Pflege" künftig eigens Ansbach ansteuern müssen, darüber waren sich in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses des Erlanger Stadtrats parteiübergreifend alle Stadträte einig. "Das ist ein Horrorszenario", sagte CSU-Stadtrat Christian Lehrmann. "Es geht nicht, dass jemand, der einen schwerkranken Angehörigen pflegt, nach Ansbach fahren muss. Wir lassen dann Leute, die in wirklich schwierigen Situationen sind, auf weiter Flur allein." Sein Parteikollege Rüdiger Schulz-Wendtland schloss sich der Kritik an — und ließ dabei seine eigene ärztliche Sicht einfließen.

Im Gespräch mit den EN untermauerte Anette Christian dies. Die SPD-Stadträtin und Vorsitzende des Erlanger Seniorenbeirates hat als Ärztin Einblicke in die Situation vor Ort. "Leute, die Hilfe zur Pflege beantragen, sind in einer Überforderungssituation und in Not", sagt sie. Der Seniorenbeirat setze sich aus gutem Grund für niederschwellige Angebote für ältere Menschen in Erlangen ein, der Wunsch nach guter Infrastruktur für Ältere vor Ort werde immer wieder ausdrücklich vorgetragen, "wir wollen deshalb auch die Seniorenstützpunkte ausbauen".

"Das goldene Brückchen"

Ärzte wie Anette Christian wissen, dass für ältere Menschen, denen es gesundheitlich schlecht geht, ein Hausbesuch oftmals "das goldene Brückchen" zu einer Beratung ist. Genau dies leistet, im Hinblick auf Fragen zur Pflege, auch die unabhängige Pflegeberatung der Stadt Erlangen.

Und was nun die "Hilfe zur Pflege" betrifft: "Da geht es um deutlich mehr als nur um die Frage, wo gebe ich den Antrag ab", betont Gisela Niclas. Es gehe um konkrete Unterstützung, die den Leuten Sicherheit gebe. "Wir haben hier im Rathaus geschultes Personal", sagte Sozialbürgermeisterin Elisabeth Preuß im Fachausschuss. Und: "Es geht hier nicht um Klassenfahrten, sondern um lebensnotwendige Dinge."

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