Was ist Luxus? Eine Erlanger Maßschneiderin antwortet

14.5.2017, 15:00 Uhr
Susanne Spitz (li.) engagiert sich vielseitig, hier bei der Blaue-Band-Aktion der Innenstadthändler.

© Ilona Hoerath Susanne Spitz (li.) engagiert sich vielseitig, hier bei der Blaue-Band-Aktion der Innenstadthändler.

Frau Spitz, Ihren Kunden erfüllen Sie Träume. Was bedeutet Luxus für Sie?

Susanne Spitz: Es ist ein Luxus für mich, wenn ich die Zeit habe, ein Stück von A bis Z komplett durchmachen zu können. Das klappt fast nie.

Weil Sie als Selbstständige zu sehr beschäftigt sind?

Spitz: Ich war eine schlechte Angestellte, war kein bequemer Mitarbeiter. Das ist für mich also keine Option. Seit 17 Jahren bin ich selbstständig, wie meine Eltern. Ich kenne es also nicht anders. Mit vier Jahren habe ich die Anrufe entgegengenommen und gesagt: ‚Mein Papa kann jetzt nicht, er sitzt auf Toilette.‘

Warum sind Sie Schneiderin geworden?

Spitz: Ich habe vorher schon für mich genäht, vor allem wegen meiner Oma. Sie war auch Schneiderin. Für die Ausbildung habe ich mich entschieden, weil ich dachte, der Job wäre gut mit Familie und Kindern vereinbar. Mit dem Beruf hat es geklappt, mit dem Mann nicht. Aber wenn man sein Hobby zum Beruf macht: Ich empfinde es gar nicht so sehr als Arbeit. Es gibt Tage und Wochen, da ist es mir zuviel. Aber dann nehme ich mir einen Tag frei. Das ist das Schöne am Selbstständig-Sein.

Versumpfen Sie dann auch mal in Jogginghose daheim auf dem Sofa?

Spitz: An Tagen, an denen ich nur zu Hause bin, schlumpfe ich richtig. Das muss sein. Eine Jogginghose besitze ich nicht. Ich hänge dann den ganzen Tag im Bademantel herum, auch der ist selbst genäht. Leute, die mich gut kennen, wissen anhand meiner Kleidung, wie meine Stimmung ist. Fast alles ist hier im Atelier genäht worden.

Zurück zum Luxus: Was begeistert Sie noch?

Spitz: Qualität. Es gibt zum Beispiel einen Stoff, der laufende Meter kostet 7000 Euro. Es ist spannend, warum das so teuer ist: Saphire sind eingearbeitet. Dadurch schimmert das in einem bestimmten Licht. Das ist geil. Ich habe hier auch einen Stoff aus weißer Spitze, die Schwarzlicht-aktiv ist. Nur leider ist mir noch nicht die Idee gekommen, was ich daraus mache, was diesem Stoff gerecht wird.

Wenn Sie einem Menschen gegenüber stehen: Mustern Sie ihn und ziehen ihm etwas aus Ihrer Kollektion an?

Spitz: Unterbewusst. Ich erwische mich, dass ich Leute sehe und ein Programm in meinem Kopf abspule. Krass ist es bei Anzugträgern. Ich fange dann sofort an, ein Schnittbild aufzurufen und Änderungen im Schnitt zu machen. Auf einem Ball arbeitet mein Unterbewusstsein auf Hochtouren. Anzüge trifft es insbesondere deshalb, weil es dort so leicht zu sehen ist, was falsch ist. Bei einem Sweatshirt kann man nicht viel falsch machen. Der Rest ist Stilfrage.

Sich mit solchen Äußerlichkeiten zu beschäftigen, ist das nicht sehr oberflächlich?

Spitz: Es ist etwas für die Psyche. Verschiedene Menschen geben für verschiedene Dinge Geld aus. Die Kunden wünschen sich Maßgeschneidertes. Wir haben keine Schicki-Micki-Kunden. Die wollen die Marken und nicht ‚Susanne Spitz Maßdesign‘.

Würden Sie jungen Menschen raten, Ihren Beruf zu ergreifen?

Spitz: Raten würde ich das erst einmal niemanden. Die meisten wollen Designer werden. Sie sagen, sie sind kreativ. Ich sage: ‚Das kannst du zu Hause sein. Aber hier wird gearbeitet.‘ Wenn man diesen Job wirklich liebt, macht er glücklich. Doch das Handwerk ist in Deutschland nichts wert. Ich habe nicht studiert, ich wollte das nicht. Immer wieder werde ich danach gefragt. Aber für mich ist Nähen spannender.

 

 

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